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Folge 15: Dóra Maurer

Was hat eigentlich Mathe mit Kunst zu tun? Wenn ihr an Mathematik denkt, fallen euch sicher direkt Zahlen, Plus- und Minusrechnen, Dividieren und Multiplizieren oder geometrische Formen ein. Doch nicht unbedingt die Kunst! Also, gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen? Ja!

Kommt mit und entdeckt mit uns die Arbeiten der ungarischen Künstlerin Dóra Maurer (*1937)! Ihre Arbeiten zeigen wir momentan hier in der Kunsthalle in der Ausstellung SO SEHEN UND ANDERS SEHEN. Unsere Wahrnehmung wird dabei ganz schön auf die Probe gestellt und tatsächlich ist genaues Sehen/Hinsehen wichtig. Denn manchmal sind die Dinge, die wir sehen, nicht so, wie wir es zunächst denken!
Probiert es gleich einmal selber aus! Schaut genau hin! Was passiert hier? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es? Los geht´s:


Animation: Vera Brüggemann
Was habt ihr entdeckt? Sicher musstet ihr die Animation mehrere Male anschauen, um Unterschiede zu entdecken! Und jetzt stellt euch vor, ihr fotografiert jede Szene, wenn die Fahrstuhltür sich öffnet und ordnet diese Fotos dann in mehreren Reihen und untereinander an und präsentiert diese Folge. Dann arbeitet ihr wie Dóra Maurer es in ihren ersten Fotoreihen getan hat.

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Ist euch in der Stadt, vielleicht auf dem Weg zur Schule, dieses Plakat aufgefallen? Hier könnt ihr gut entdecken, wie Dóra Maurer denkt, wie sie arbeitet und was ihr wichtig ist.
Wir sehen drei Personen, die sich mit dem Rücken zu uns gewandt in einer Landschaft, auf einer Wiese vielleicht, abwechselnd auf einen Hocker setzen und wieder aufstehen. Dóra Maurer fotografiert diese Aktionen und reiht die schwarzweißen Fotos aneinander. Dadurch entstehen Ordnung und Struktur und wir können die Aktionen nachvollziehen. Aber wie bei den Kindern im Fahrstuhl müssen wir genau hinsehen, um minimale Unterschiede bzw. die Aktionen, die Prozesse, die ablaufen, zu registrieren.
In unserer Ausstellung zeigen wir mehrere solcher Fotoreihen. Einmal sind es Hände, die einen Ball halten oder wieder die Künstlerin selbst, die verschiedene Aktionen mit einem Pflasterstein unternimmt.

Dóra Maurer nimmt uns mit in die Entstehungsprozesse ihrer Arbeiten. Es ist ihr wichtig, uns einzubinden, damit wir zu gleichen oder ähnlichen Erkenntnissen gelangen können wie sie. Oft ist ihr der Prozess auch wichtiger als das Arbeitsergebnis, also das fertige Kunstwerk. Die Künstlerin führt uns vor Augen, wie das funktionieren kann. Und letztlich, das werdet ihr hier oder in der Ausstellung erleben, zieht sich genau dieses Interesse an Prozessen, an Verschiebungen und eben an unserer Wahrnehmung wie ein roter Faden bis heute durch Dóra Maurers Werk. Das verändert sich nämlich sehr im Laufe der Jahre. Vielleicht habt ihr beim Lesen des Geburtsjahres der Künstlerin schon ausgerechnet, dass Dóra Maurer in diesem Jahr 85 Jahre alt ist!
In der Ausstellung könnt ihr Druckgrafiken, Fotografien, Filme und Gemälde der Künstlerin, die alle zwischen 1970 und 2020 entstanden sind, betrachten. Und immer sind es Prozesse, die wir nachvollziehen können, die wir auch entdecken. Das klingt kompliziert? Ist es aber nicht!
Kommt mit und schaut mit uns hier einige weitere Arbeiten aus der Ausstellung an.

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Dóra Maurer, 2014, © Dóra Maurer

Auf diesem Bild seht ihr Dóra Maurer. Es ist eine Fotografie aus dem Jahr 2014. Das Foto, das sie in der Hand hält, zeigt sie mit einer Fotografie aus ihrer Arbeit „Sieben Drehungen“ von 1979. Die wollen wir uns auch einmal genauer anschauen.
Wart ihr schon einmal in einem Spiegelkabinett? Ein Spiegelkabinett ist ein Raum, der nur aus Spiegeln besteht. Alle vier Wände sind mit Spiegeln bedeckt, wodurch ein unendlicher Raum entsteht. Denn die Spiegelung aus einem Spiegel, spiegelt sich wieder in einem anderen und das geht immer so weiter. Man kann sich unendlich oft sehen und es gibt keinen Anfang und kein Ende.
Betrachtet ihr jetzt die Fotografien „Sieben  Drehungen“, scheint es, als würde auch hier eine Art Täuschung durch viele Spiegel entstehen, also wie im Spiegelkabinett.
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Sieben Drehungen 1 – 6, 1979/2011
Silbergelatine Prints, Edition 2/5
Sammlung Zsolt Somlói und Katalin Spengler
© Dóra Maurer
Ausstellungsansicht Kunsthalle Bielefeld. Foto: Philipp Ottendörfer

Schaut euch die Fotografien genau an. Was könnt ihr sehen? Wer oder was ist darauf zu sehen? Warum hat die Künstlerin (ihr wisst ja schon, dass sie es ist) diese Vierecke in der Hand? Was ist auf den Vierecken zu sehen? Und sind diese immer gleich?
Gehen wir einmal zur ersten Fotografie. Dort ist Dóra Maurer selbst zu sehen. Sie versteckt jedoch ihr Gesicht teilweise hinter einem weißen viereckigen Papier, das sie in ihren Händen hält. Die zweite Fotografie zeigt wieder Dóra Maurer. Aber ihr habt bestimmt gleich entdeckt, dass plötzlich das weiße Viereck nicht mehr nur weiß ist. Was könnt ihr auf dem Viereck sehen, das Maurer jetzt in den Händen hält? Genau, es ist die erste Fotografie, aber gedreht, und zwar nach links.
Das ist ganz schön kompliziert, aber lasst uns nochmal gemeinsam hinschauen…
Also, auf der ersten Fotografie sind Dóra Maurer und ein weißes Viereck zu sehen. Aber in Bild zwei ist wieder Dora Maurer zu sehen, jetzt aber mit der ersten Fotografie in der Hand anstatt des weißen Vierecks. Und die Spitze des weißen Vierecks, welche in Bild eins oben ist, zeigt jetzt in der zweiten Fotografie nach links.
Und was könnt ihr jetzt sehen, wenn ihr die dritte Fotografie anschaut? Wieder erkennen wir die junge Dóra Maurer. Aber euch ist bestimmt schon aufgefallen, dass sich das Viereck, das Maurer in den Händen vor ihrem Gesicht hält, wieder verändert hat. Was ist diesmal auf dem Viereck zu sehen? Es ist nicht mehr das weiße Viereck und auch nicht Bild eins, das sie vorher in den Händen hielt. Diesmal ist es die zweite Fotografie, die wir uns vorhin angesehen haben und wieder um eine Ecke nach links gewandert. Unsere Spitze vom Anfang aus Bild eins ist jetzt unten.
Jetzt ahnt ihr sicher schon, wie es weitergeht und welches Foto Dóra Maurer in der vierten Fotografie in den Händen hält. Richtig, es ist die dritte Fotografie! Das heißt, in der Fotoserie „Sieben Drehungen“ hält die Künstlerin zuerst ein weißes Viereck in den Händen. Doch in den folgenden Fotografien wird diese weiße Fläche jeweils durch die vorherige Fotografie aus der Reihe ersetzt. Wie in dem Spiegelkabinett sind immer mehr Hände, Gesichter und Vierecke zu sehen und jede Fotografie steigert dies noch, so als ob der Raum bis ins Unendliche gehen würde.
Das war ganz schön schwer zu erkennen, aber ihr habt es herausgefunden! Zählt doch mal, wie viele Fotografien die Künstlerin uns hier zeigt. Komisch, das sind ja nur sechs Stück. Aber die Arbeit heißt doch sieben Drehungen. Die Drehungen haben wir gefunden. Die Fotografien, die Dora Maurer in den Händen hält, dreht sie gegen den Uhrzeigersinn in ihren Händen. Gedreht wurde aber nur fünf Mal und nur sechs Fotografien sind zu sehen. Wo ist also die siebte Drehung? Überlegt mal, wo die siebte Drehung sein könnte. Schaut noch einmal  genau hin! Befindet sich die Drehung in einer der Fotografien oder wäre es möglich, dass es die siebte Drehung vielleicht gar nicht gibt? Vielleicht sollen wir uns die siebte Drehung selber vorstellen… oder ihr versucht selbst mal solche verschachtelten Bilder zu erzeugen, die an das Spiegelkabinett erinnern und fertigt die siebte Drehung selber an.

Durch die Anordnung in ihren Fotoreihungen werden aber auch die Ordnung und die Struktur immer wichtiger. Und im Laufe der Jahre reizt es Dóra Maurer, diese künstlerisch zu untersuchen und mit ihnen zu experimentieren, zu spielen.
Bei diesen frühen Arbeiten knüpft Dóra Maurer immer an Erfahrungen an, die wir auch selbst im Alltag machen können. Es sind natürliche Materialien und der Mensch, oft sie selbst, menschliche Gesten und Bewegungen stehen im Mittelpunkt – bilden das Maß. Gegenstand ihrer Kunst ist immer die Wahrnehmung! Und wo bleibt die Mathematik? Schaut hier:

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5 aus 4, 1979
Acryl auf Holz, 15 teilig
Privatsammlung, Dauerleihgabe an die Kunsthalle Prag
© Dóra Maurer
Wieder solltet ihr erst einmal nur schauen! Was seht ihr? Euch fällt sicher gleich auf, dass man auf den ersten Blick in der ersten oberen Reihe vier Quadrate in der Reihenfolge Rot, Blau, Rot und wieder Blau sehen kann. Genauer gesagt, weiße Quadrate mit roten und blauen Rahmen. Schauen wir uns jetzt die zweite Reihe an, können wir immer noch die vier blauen und roten Vierecke sehen, oder? Gehen wir aber jetzt in die dritte Reihe, wird das schon schwieriger. Hier sehen wir die ersten beiden Vierecke in Rot und Blau noch relativ deutlich. Doch dann, das dritte Viereck in Rot ist schon schwieriger zu erkennen. Und das vierte Viereck in Blau eigentlich kaum noch. Wir können uns es vorstellen, aber nicht mehr so gut sehen. Woran liegt das? Bei dem roten Viereck fehlt die rechte Begrenzung und bei dem blauen? Dort fehlt auch die linke, nur oben und unten gibt es blaue Streifen!
Was wird allerdings in der dritten Reihe, die wir uns gerade angesehen haben, stärker sichtbar?
Da sind Streifen. Genauer gesagt, Leinwand Streifen, auf die die Blau-Roten Vierecke gemalt sind. Das Kunstwerk von Dóra Maurer heißt „5 aus 4“. Aber was soll das bedeuten? 5 aus 4? Fünf Stück haben wir und daraus werden vier?
Zählt doch mal die Leinwände in der dritten Reihe. Wie viele Streifen sind dort zu sehen? Ist euer Ergebnis auch fünf? Sieht es in der zweiten und ersten Reihe genauso aus? Könnt ihr auch fünf Leinwände zählen?
Die gesamte Arbeit besteht aus mehreren Teilen. Gehen wir noch einmal zurück an den Anfang. In der ersten Reihe haben wir vier Quadrate gesehen. Diese Vierecke sind aber gar nicht auf einer Leinwand, sondern auf mehrere verteilt. Auf den zweiten Blick entdecken wir, dass sie auf fünf Leinwände gemalt sind. Diese Vierecke, die wir also in der ersten Reihe noch sehr gut und einfach erkennen können, lösen sich dann in der zweiten und dritten Reihe auf, in dem Dóra Maurer die Leinwände auseinanderrückt. In der zweiten Reihe bleibt auf einer weißen Wand der Eindruck bestehen, dass man vier Quadrate sieht.  Was dadurch deutlicher wird, dass es fünf Leinwände sind, woraus die vier Vierecke entstehen. Und damit haben wir den Titel der Arbeit „Fünf aus Vier“ wie echte Mathematiker ausgerechnet.
Offen ist aber jetzt noch eine Frage. Die Abstände zwischen den Leinwänden in der dritten Reihe hat Dóra Maurer nicht willkürlich gewählt, sondern nach der Fibonacci-Folge entwickelt. Fibonacci? Wenn wir uns die Lücken zwischen den fünf Leinwänden anschauen, merken wir, dass die Abstände in der zweiten und dritten Reihe immer größer werden. Diese Abstände vergrößern sich aber nicht irgendwie, sondern eben nach einer bestimmten Folge. Die Fibonacci-Folge ist eine Folge natürlicher Zahlen nach diesem Prinzip: 0 + 1 = 1, 1 + 1 = 2, 1 + 2 = 3, 2 + 3 = 5, 3 + 5 = 8, 5 + 8 = 13 usw. Die Summe der ersten Zahlen ergibt also immer die Basis für die weitere Abfolge. Und genau nach diesem Prinzip hat Dóra Maurer die Lücken in der dritten Reihe gestaltet. Die Mathematik war also der Impuls!
Ihr könnt es auch ausprobieren: Holt euch Papier und Stift und wir finden es zusammen heraus. Das Papier liegt quer vor euch und ihr habt den Stift in der Hand. Das Blatt Papier ist aktuell unsere 1. Zieht ihr aber jetzt eine Linie in der Mitte des Blattes, von oben nach unten habt ihr aus 1 und 1 gleich 2. Teilt ihr die eine Hälfte des Blattes erneut in der Mitte, aber diesmal von links nach rechts, habt ihr 3 Flächen. Teilt die Hälfte der Hälfte erneut, könnt sehen, dass ihr nun 5 Flächen habt. Würdet ihr dieses Prinzip dieser Folge weiter nachgehen würdet ihr immer kleinere Teilungen haben. Dieses Prinzip, nach dem wir unser Blatt gerade geteilt haben, ist die Fibonacci-Folge und lautet 1,1,2,3,5,8 und geht immer weiter.

Mathematische oder geometrische Prinzipien haben in den 1960er- und 1970er-Jahren viele Künstler*innen angewendet. Sie wollten nicht mehr gegenständlich arbeiten, also die Wirklichkeit abbilden, das, was man in der Welt sehen und beobachten kann wie Landschaftsmaler*innen z.B. Sie wollten eine neue konkrete Kunst schaffen. Konkret, weil sie da ist, man kann sie sehen und theoretisch auch anfassen (Im Museum geht das natürlich nicht!). Die Idee war, dass diese Kunst alle Menschen verstehen können. Wir sehen Farben und Formen, Striche, Linien, Kreise, Vierecke oder Flächen. Sie können frei wirken, ohne dass die Betrachter*innen wissen müssen, was dies oder jenes bedeutet oder sie an bestimmte Dinge in der Natur erinnert werden. Bei einer Blume auf einem Gemälde denkt ihr sicher auch an Frühling oder Sommer, an Schönheit und habt noch andere Assoziationen. Die konkreten Künstler*innen wollten das nicht mehr.
Dóra Maurer experimentiert mit diesen geometrischen Formen und verschiedenen Materialien. So z.B. mit einem Quadrat aus Holz.

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Dóra Maurer
Zerschiebung eines Quadrats, 1975
Holz, 139 x 139 x 5 cm
Privatbesitz © Dóra Maurer

„Zerschiebung“ eines Quadrates

Dóra Maurer nutzt für diese Arbeit das Material Holz. Aber du wirst sehen, dir wird die Umsetzung dieses Werkes auch mit Papier gelingen.
Nutze dazu ein festeres Papier, zum Beispiel ein Aquarellpapier. Die Größe deines Papieres, also die Länge der Seiten, kannst du frei wählen. Doch sollten alle vier Seiten gleich lang sein, das Blatt sollte also quadratisch sein.
Nimm zuerst ein Lineal, lege es diagonal auf dein Quadrat und ziehe mit dem Bleistift eine Linie von der einen Ecke des Quadrates zur gegenüberliegenden.
Verbinde anschließend die beiden anderen Ecken des Quadrates mit dem Lineal und zerlege jede Seite in vier gleich lange Abschnitte. Nutze den Bleistift zum Markieren der Abmessungen. Durch diese Markierungen ziehe dann Bleistiftlinien, die parallel zur Mittellinie verlaufen.

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Schneide dein Papier entlang dieser Bleistiftlinien auseinander. Die „Zerschiebung“ kann beginnen!

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Du kannst deine Papierstreifen in immer anderer Weise „zerschieben“ und verschieben und sie nutzen wie ein Spiel.
Du kannst die Papierstreifen aber auch, wenn dir eine „Zerschiebung“ besonders gefällt, auf ein farbiges Papier kleben.
Du weißt ja jetzt, wie du dir eine neue Vorlage für weitere „Zerschiebungen“ herstellen kannst.

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Vielleicht magst du uns ein Foto deiner „Zerschiebungen“ schicken!?

Dóra Maurer beschäftigt sich in den 1970er-Jahren auch mit Rechtecken, die sie über ein Rasternetz aus 10 x 10 Feldern legt und natürlich auch verschiebt! Acht verschiedenfarbige, mit diagonalen Streifen markierte Vierecke werden systematisch verschoben – die warmen Farbtöne horizontal, die kalten diagonal, sodass es zu vielschichtigen Überlagerungen kommt. Diese Werkgruppe heißt „Displacements“, also Verschiebungen und Dóra Maurer arbeitet bis heute nach diesen Prinzipien, aus denen sich unendliche viele Möglichkeiten ergeben. Und wieder sind Ordnung, Struktur und Bewegung mit von der Partie.
Klingt wieder kompliziert! Ist es aber auch nicht. Schaut hier:


Animation: Roman Schauerte, © Kunsthalle Bielefeld

Dóra Maurers Displacements – Reihe, Linien, Flächen, Farben, basieren auf einem mathematisch-geometrischen System. Bewegung und Veränderung sind ihre Themen. Aus diesen Werken zufällig ausgewählte Bereiche vergrößert sie und gestaltet daraus ihre sogenannten Quasi-Bilder. Quasi, weil sie nichts darstellen, das wir in unserem Alltag beobachten können, keine Abbildungen der Realität. Hier ein Beispiel aus der Ausstellung:

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Dóra Maurer
Relative Quasi Bilder, Standardfarben, 1989
Acryl auf Faserplatte
100 x 70 cm
Privatbesitz © Dóra Maurer
Foto: Philipp Ottendörfer

Und jetzt ihr:

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Linien, Flächen, Farben sind auch Grundlage für unsere folgende Aktion.
Schon bei der Farbwahl kannst du die Wirkung deiner späteren Arbeit beeinflussen. So kannst du dich für warme oder kalte Farben entscheiden oder wie ich für den Einsatz der Grundfarben und somit der Möglichkeit, viele unterschiedliche Farben mischen zu können. Diese Möglichkeit erweitert sich noch durch die Zugabe von Schwarz und Weiß.
Da für diese Arbeit der Einsatz einer möglichst deckenden Farbe sinnvoll ist, nutze Acrylfarben.
Weiterhin benötigst du breite Borstenpinsel, ein Gefäß mit Wasser, Tücher, Aquarellpapier (DIN A3) und Krepp – Klebeband. Überlege, welche Breite die Streifen in deinem Bild haben sollen,entsprechend wähle die Breite des Krepp–Klebebandes aus.

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Färbe zuerst das gesamte Blatt in einer von dir gewählten Farbe ein. Diese Farbe wird in Form von Linien deine gesamte spätere Arbeit durchziehen.

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Nachdem die Farbe vollkommen getrocknet ist, mit dem Fön kannst du die Trocknungs – Zeit verkürzen, kommt das Krepp – Klebeband zum Einsatz. Mit dem Klebeband lässt du nun Linien und Flächen entstehen.
Drücke das Klebeband gut an. Besonders an den Rändern sollte es fest aufliegen. So vermeidest du, dass die Farbe, mit der du die Flächen ausmalst, unter das Band ziehen kann.

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Sobald du zufrieden bist mit deinem Linien- und Flächengewirr, kannst du die Flächen farbig gestalten. Bei jedem Farbwechsel wasche deinen Pinsel sorgfältig aus und trockne ihn gut mit dem Tuch ab.

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Mit dem Einfärben der letzten Fläche hast du dein Werk schon fast vollendet. Nun folgt der spannende Moment: Das Ablösen des Klebebandes!
Gehe dabei sehr vorsichtig ans Werk. Sinnvoll ist es, zuerst die oben liegenden Streifen des Klebebandes zu lösen. Arbeite dich dann nach und nach voran.
Sicher wellt sich dein Papier nach dem vollständigen Trocknen etwas. Kein Problem! Lege es unter einen Teppich oder unter einen Stapel von Büchern. Die gesamte Fläche sollte beschwert werden.

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Vielleicht hast auch du, wie Dóra Maurer, die Freude am Spiel mit Linien, Formen und Farben entdeckt. Na, dann los, sicher hast du schon eine Idee für dein nächstes Werk!

In einem nächsten Schritt zieht Dóra Maurer die Bewegung so in den Raum, dass wir glauben, die Arbeiten schwerelos sind und uns entgegenschweben. Dass sie daran großes Interesse hat, könnt ihr jetzt sicher nachempfinden – und  natürlich könnt ihr es auch selber noch ausprobieren. Das zeigen wir euch jetzt zum Schluss. Hier zwei  Gemälde, die Dóra Maurer 2004 und 2010/11 gemalt hat:
Dóra Maurer,  Dreifachfläche, gebrochen,  2004,  Acryl, Leinen, Sperrholz ,  71 x 243 cm,  Museum Ritter, Waldenbuch,  Foto: Olaf Nagel,  © Dóra Maurer

Dóra Maurer, Dreifachfläche, gebrochen, 2004
Acryl, Leinen, Sperrholz, 71 x 243 cm, Museum Ritter, Waldenbuch, Foto: Olaf Nagel © Dóra Maurer

Dóra Maurer,  IXEK 5, Durchdringungen,  2010/11,  Acryl, Leinen, Sperrholz ,  80 x 130 cm,  Museum Ritter, Waldenbuch,  Foto: Franz Wamhof,  © Dóra Maurer

Dóra Maurer, IXEK 5, Durchdringungen, 2010/11
Acryl, Leinen, Sperrholz, 80 x 130 cm, Museum Ritter, Waldenbuch, Foto: Franz Wamhof © Dóra Maurer

Hättet ihr gedacht, dass es Gemälde sind? Die meisten Besucher*innen, die sie in der Ausstellung betrachten, können es zunächst kaum glauben. Es scheint doch eher so, dass Dóra Maurer mit Transparentpapieren spielt, die sie über die besonders geformten Leinwände legt. Fällt euch bei den Formen etwas auf? Richtig, es sind wieder viereckige Flächen, von der Geometrie inspiriert. Dóra Maurer verzerrt sie jedoch perspektivisch und vor allem werden jetzt die Farben sehr wichtig. Sie lassen uns glauben, dass die Arbeiten schweben, in den Raum hineinkommen. Die Bildteile wirken fast schwerelos, überlagern und durchdringen sich – alle Effekte nur mit Farben erzeugt. Eigentlich logisch, wenn wir jetzt an die Arbeiten denken, die wir hier besprochen haben. Seid ihr neugierig geworden? Probiert es doch selber einmal aus. Wir haben euch eine Anleitung mit Transparentpapieren vorbereitet.

Überlagerungen

Ein immer wieder auftauchendes Thema in Dóra Maurers Werken ist die Bewegung und die Veränderung von Farben. Dieses erreicht sie zum Beispiel durch Überlagerungen/Überlappungen.
Solche Überlagerungen/Überlappungen kannst auch du auf eine sehr einfache Weise nachvollziehen. Dazu benötigst du farbige Transparentpapiere, ein Zeichenpapier, eine Schere und einen Klebestift. Auch ein Bleistift kann hilfreich sein.

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Die Papiere schneide in der von dir gewählten Form und Größe zu. Ich habe mich hier für die quadratische Form entschieden.
Sobald einzelne Transparentpapiere sich überlappen, erkennst du an diesen Stellen Veränderungen der Farben. Die Farben „mischen“ sich.

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Mit diesen Veränderungen kannst du experimentieren/spielen. Lege die Papiere in unterschiedlicher Weise neben- und übereinander. Spiele mit Farben und Formen. Sobald du eine Überlagerung gefunden hast, die dir besonders gut gefällt, klebe die Transparentpapiere entsprechend auf dein Zeichenpapier.
Vielleicht hast du auch noch weitere Ideen. Nur zu, setze deine Ideen um!

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Selbstverständlich seid ihr bei freiem Eintritt herzlich willkommen, euch die Arbeiten im Original anzusehen. Ihr werdet staunen! Bis zum 15. Mai 2022 könnt ihr die Ausstellung „So sehen und anders sehen“ hier in der Kunsthalle besuchen. In unserem Ausstellungsfilm könnt ihr übrigens auch Dóra Maurer begegnen. Wir freuen uns auf euch!

Herzlich – eure Karola, Nicola, Vera, Christiane und Matthias