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Folge 4: Antonius Höckelmann – Zeichnungen

Hallo! Heute gehen wir hier wie gewohnt digital in unsere aktuelle Ausstellung und zeigen euch Arbeiten des Künstlers Antonius Höckelmann. Sicher wisst ihr, dass die Kunsthalle am 06. Mai 2020 ihre Türen wieder öffnen durfte, so könnt ihr mit einer Freundin, einem Freund oder euren Eltern zu uns kommen und die neue Ausstellung anschauen. Wir laden euch herzlich ein, für euch ist der Eintritt an allen Tagen frei und am Wochenende sogar für die ganze Familie! Herzlich willkommen!

Ihr werdet sicher überrascht sein, wie groß einige Bilder sind und wie strahlend in den Farben!

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Aber wir beschäftigen uns jetzt erst einmal mit dem Künstler Antonius Höckelmann. Habt ihr seinen Namen schon einmal gehört? Wahrscheinlich schüttelt ihr jetzt, genau wie viele Erwachsene auch, den Kopf. Genau deshalb zeigen wir diese Ausstellung! Wir möchten diesen Künstler und sein faszinierendes Werk einem größeren Publikum vorstellen. Wir zeigen Zeichnungen, Plastiken und Malerei des Künstlers – so vielseitig war er nämlich. Und da das alles für eine einzige Folge unseres Kindermuseums viel zu viel wäre, wird es drei Folgen zu Antonius Höckelmann geben. Wir beginnen heute mit seinen Zeichnungen und es folgen die Bildhauerei und die Malerei.

Ihr wollt bestimmt zunächst wissen, wer der Künstler überhaupt war und wann er gelebt hat:

Schaut einmal auf diesen Seiten nach. Dann lernt ihr den Künstler, aber auch schon einige seiner Werke kennen:
www.antonius-höckelmann.de
www.kunsthalle-bielefeld.de

Antonius Höckelmann wurde 1937 in Oelde in Westfalen geboren, also nicht weit entfernt von Bielefeld. Dort machte er von 1951 bis 1957 eine Ausbildung zum Holzbildhauer bei Heinrich Lückenkötter. In erster Linie schufen sie Kunst für die Kirchen in der Region. Vielleicht mögt ihr einmal in eine Kirche hineingehen und euch die Marienfiguren oder die Altäre anschauen. Dann habt ihr einen Eindruck, was Höckelmann in dieser Zeit arbeitete.

Aber er wollte noch mehr lernen – deshalb ging er nach Berlin, um dort an der Hochschule für bildende Künste Bildhauerei zu studieren. Ihr könnt euch vorstellen, dass es in Berlin ganz anders zuging als im beschaulichen Oelde. Hier traf Antonius Höckelmann viele andere Künstler*innen. Und natürlich zeigten sie sich ihre Arbeiten, sprachen darüber und gaben sich immer wieder neue Anregungen. Nach seinem Studium lebte Höckelmann noch bis 1970 als freischaffender Künstler in Berlin. Hier lernte er auch seine Frau, die ebenfalls Künstlerin war, kennen und 1965 bekamen sie ihren Sohn Sebastian. Aber die Familie konnte nicht allein von der Kunst leben und deshalb arbeitete Höckelmann nebenberuflich bei der Post. 1970 zog die Familie nach Köln um, wo sie ebenfalls mit vielen Künstler*innen zusammentraf. Im Jahr 2000 starb der Künstler dort.

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Antonius Höckelmann ist in erster Linie Bildhauer und Maler gewesen. Aber er zeichnete auch – wie fast alle Künstler*innen. An den Kunstakademien gehören Zeichenkurse bis heute zur Grundausbildung. Eine Skizze oder eine Zeichnung bereiten oft die folgenden Werke vor, können aber auch eigenständige Arbeiten sein.

Dabei ist eine Skizze ein erster, spontaner, sehr schnell ausgeführter Entwurf, auf dem meist gar keine oder nur wenige Details zu erkennen sind. Das ist vielleicht mit einer Notiz auf einem Zettel zu vergleichen, wenn ihr etwas nicht vergessen möchtet. In der Zeichnung wird dann genauer formuliert, beschrieben. Ihr merkt, das sind die gleichen Worte wie beim Schreiben. Genau, erst macht ihr euch eine Notiz und dann schreibt ihr einen Text, in dem ihr den ersten Gedanken ausformuliert.

Vera-Hoeckelmann-Skizzenbuch

Aber eine Zeichnung bietet viel mehr: Zu zeichnen ist eine gute Übung, um die Hände zu schulen, ein Gefühl für Linien und die Fläche auf dem Blatt zu bekommen. Und auch hier gilt: Übung macht die Meisterin und den Meister!

Der berühmte Künstler Leonardo da Vinci (1452 – 1519) berichtete, dass er sogar noch abends im Bett mit geschlossenen Augen in seiner Vorstellung alle Umrisslinien der Formen nachzog, die ihn am Tage beschäftigt hatten. Der Künstler und Akademielehrer Adolf Hölzel (1853 – 1934) empfahl seinen Schüler*innen, jeden Tagmindestens 1000 Striche zu zeichnen – und das taten sie! Die Künstler Paul Klee (1879 – 1940) und Wassily Kandinsky (1866 – 1944) haben sogar Bücher über ihre Ideen und Studien zur Zeichnung verfasst. Und für Joseph Beuys (1921 – 1986) war die Zeichnung wie ein Lebenselixier, ohne das er gar nicht denken konnte. Und sie alle, und sie sind ja nur eine kleine Auswahl, haben immer wieder die Zeichnungen ihrer Künstlerkolleginnen- und Kollegen studiert, um von ihnen zu lernen.

Und wir studieren jetzt die Zeichnungen von Antonius Höckelmann.

450-Höckelmann-Selbstbildnis-9Selbstporträt, 1982, Tusche auf Bütten, 52,7 x 37,5 cm, Sammlung Elke und Werner Zimmer, Düsseldorf, (c) VG Bild-Kunst Bonn 2020

Hier seht ihr ein Selbstporträt des Künstlers.
Wahrscheinlich ziemlich schnell hat er sich im Profil, also von der Seite, mit seiner dicken Knollennase und dem Schnauzbart gezeichnet. Dabei kam es ihm nicht auf Details an oder dass er besonders gut aussieht. Immer wieder hat er sich gezeichnet, fast als wollte er sich beobachten. Zum Thema Porträt haben wir euch in der ersten und in der dritten Folge bereits Übungen gezeigt. Die könnt ihr an dieser Stelle gerne noch einmal aufrufen und durchführen.

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Blindzeichnung – Ein Selbstporträt kannst du auch mit geschlossenen Augen zeichnen. Nimm dazu ein Blatt, befestige es mit Klebestreifen auf dem Tisch. Nun schließe die Augen und ziehe, wie der Künstler Leonardo da Vinci, in deiner Vorstellung alle Linien deines Gesichts  zuerst in Gedanken, dann mit dem Bleistift auf dem Blatt nach. Während des Zeichnens musst du mit dem Stift stets auf dem Blatt bleiben. So besteht  deine gesamte Zeichnung aus einer einzigen Linie.                                

Du wirst feststellen, je häufiger du ein Porträt als Blindzeichnung gestaltest, desto sicherer und lockerer wirst du.                                   

Das sind übrigens wir zwei, die sich diese Folge des Kindermuseums ausgedacht haben:

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Die nächste Arbeit, die wir mit euch anschauen möchten, heißt Naturtempel I. Auf einem großen Packpapier hat der Künstler hier ein Fantasiegebilde geschaffen, bei dem es ihm wichtig war, Raum oder eine Illusion von Raum zu schaffen. Gelingt es ihm?

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Naturtempel I, 1959, Pitt-Kreide auf Packpapier, auf Leinwand, 175 x 87 cm, Schenkung Ute Mronz, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, (c) VG Bild-Kunst 2020

Vielleicht erinnert euch diese Zeichnung an eine Kathedrale oder einen Turm. Das erreicht der Künstler, indem er viele parallele Schraffuren, also Striche setzt, die an manchen Stellen immer dichter werden. Dadurch wird unser Blick in das Bild hinein, in die Tiefe gezogen, aber gleichzeitig nach oben gelenkt.

Mit dem Bleistift kannst du auf verschiedene Weise arbeiten, eine Möglichkeit ist das „Schraffieren“. Dabei füllst du eine Fläche mit schmalen, parallelen Linien in gleichem Abstand aus. Die Linien kannst du schräg, waagerecht oder senkrecht zeichnen, sie können sich auch überkreuzen. Ganz besonders gut erkennen kannst du diese Technik in Höckelmanns Zeichnung Naturtempel I.

In der Zeichnung Naturtempel II siehst du zudem noch etliche dunkle Stellen, diese kannst du erzielen indem du den Stift sehr flach hältst und mit der breiten Seite zeichnest. Durch Verändern des Drucks kannst du einen fließenden Farbverlauf erzeugen, vom hellen zum dunklen Grau. Diese Technik nennt man übrigens „Schummern“. Nun versuch es doch selbst einmal, solche Techniken muss man schon üben. Aber du wirst sehen, es klappt immer besser! Und wie sieht dein Naturtempel aus?

Bei anderen Zeichnungen verteilte der Künstler helle und dunkle Linien, fast wie Knäuel über das gesamte Papier. Die dünnen Bleistiftlinien begleitete er mit schwarzen Tuschelinien, so dass wir den Eindruck haben, sie umspielen oder überwuchern sich gegenseitig. Und in manchen Zeichnungen können wir auch Gesichter oder Fratzen entdecken – kommt mit auf diese Entdeckungsreise! Einen ersten Eindruck erhaltet ihr in den Ausstellungsfilmen, aber am besten wäre natürlich, ihr schaut euch die Zeichnungen im Original in der Ausstellung an.

In der nächsten Arbeit entdeckt ihr sicher einige Figuren!

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Wand rechts: Probehopsen mit Würfel, 1971 – 1973, Holzkohle auf Papier, auf Leinwand, 150 x 128 cm, Schenkung Ute Mronz, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, (c) VG Bild Kunst 2020
Wand links: Frau mit Besen, 1971, Bleistift und Kohle auf Papier, auf Leinwand, 180 x 150 cm, Schenkung Ute Mronz, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, (c) VG Bild Kunst 2020, Installationsansicht Kunsthalle Bielefeld: Philipp Ottendörfer

 

Zu diesen Arbeiten gibt es eine Geschichte: Als die Höckelmanns im Jahr 1970 nach Köln gezogen waren, bewohnten sie eine Wohnung im ersten Stock eines Hauses. Darunter lebte im Erdgeschoss ein kinderloses Ehepaar – und was passierte? Wenn Höckelmanns Sohn Sebastian herumtobte und immer wieder, was ihm großen Spaß machte, auf einen Stuhl stieg und mit vollem Schwung hinuntersprang, störte das das Paar darunter sehr. Und die Frau begann, mit ihrem Besen in voller Wucht gegen die Decke zu hämmern – und wahrscheinlich Ruuuuhe! zu rufen. Je mehr sie hämmerte, desto energischer sprang Sebastian von seinem Stuhl. Das führte sogar zu einem Gerichtsprozess. Und hier musste Sebastian für alle einmal «probehopsen».

Ihr seht, auch solche privaten und alltäglichen Begebenheiten hielt der Künstler in einer Zeichnung fest. Verändert die Geschichte euer Sehen? Bestimmt! Ihr entdeckt jetzt den hüpfenden Sebastian, aber auch die Frau, die gar nicht freundlich aussieht und mit dem Besen an die Decke klopft. Vielleicht habt ihr zuvor in dem Strich auch gar keinen Besen erkannt, den ihr jetzt selbstverständlich sehen werdet. Deshalb ist es uns oft so wichtig, dass ihr zunächst nur guckt, eure eigenen Gedanken und Ideen zu einem Werk entwickelt. Denn wenn man den Titel kennt oder die Geschichte, sieht man auch nur das – und ihr entdeckt so viel mehr! Toll!

Zum Abschluss noch ganz rasante Tuschezeichnungen des Künstlers. Bestimmt habt ihr schon einmal schnell galoppierende Pferde beobachtet, den donnernden Klang ihrer Hufe gehört. Vielleicht auf einer Koppel oder sogar bei einem Pferderennen. Pferde waren für Antonius Höckelmann schon seit seiner Jugend faszinierend und die Entdeckung von Pferderennen in Köln inspirierte ihn zu diesen Arbeiten. Er musste die Szenen sehr schnell erfassen, denn die Pferde und mit ihnen ihre Jockeys oder die Sulkys, die kleinen Wagen, waren im Nu an ihm vorbeigerast. Hier könnt ihr euch den Künstler sicher gut vorstellen, wie er am Rande der Rennbahn auf  seinem Skizzenblock diese Szenen festhält.

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Ohne Titel, o.J. 1982, 1983, 1990, 1992, 1994, Tusche auf Papier, je 21 x 30 cm bzw.  30 x 21 cm, courtesy S. Höckelmann, (c) VG Bild Kunst 2020, Installationsansicht Kunsthalle Bielefeld: Philipp Ottendörfer

Welche Szenen entdeckt ihr? Auf einer Zeichnung rast das Pferd im Galopp mit dem Jockey an uns vorbei oder es scheint aus dem Bild herauszupreschen.  Dazwischen erkennt man Sulkyfahrer, die entspannt die Traber lenken.

Hier war es dem Künstler wichtig, die Bewegung im Bild sichtbar zu machen. Erinnert ihr euch an Sonia Delaunay? Sie hat Bewegung in Formen und Farben übersetzt. Bei Höckelmann sind es angedeutete Formen, die uns Sprünge, galoppierende Beine oder sich drehende Räder vermitteln. Mit wirbelnden und langgezogenen Linien, die zu wehenden Mähnen werden, belebte er diese Szenen. In allem erleben wir Geschwindigkeit und Dynamik!

Diese Zeichnungen sind ein Beispiel für Höckelmanns Arbeiten in Serie. Immer wieder nimmt er hier dasselbe Motiv auf, teilweise mit nur leichten Veränderungen. Die Pferde zeichnet er sehr schnell, flüchtig. Es geht ihm dabei nicht um die genaue Wiedergabe.
Wie sieht deine Serie aus? Magst du auch mit Pferden beginnen, oder mit einem Läufer, bestehend aus Strichen? Versuche doch einmal, mit einem Pinsel und Wasserfarben Linien schnell, locker auf ein Papier zu setzen. Du wirst feststellen, dass sich deine Zeichnung entwickelt, du wirst mutiger, sicherer, lockerer. Und plötzlich erkennst du in deiner Zeichnung das Pferd oder den Läufer.

Und dann geht es weiter, denn das Ziel ist ja eine ganze Zeichenserie.

Übrigens, ganz besonders wirken deine Zeichnungen auf ungewöhnlichem Papier. Wie wäre es, statt auf Zeichenpapier auf den Seiten einer Tageszeitung zu arbeiten?

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Wir freuen uns auch in der kommenden Woche auf euch. Dann schauen wir uns die Plastiken des Künstlers an und machen eine Reise in die Welt seiner Köpfe und Masken. Seid ihr dabei?

Schickt uns gerne ein Foto von euren Arbeiten! Darauf freuen wir uns sehr. Bis bald – Karola, Christiane und Matthias
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Bildung und Vermittlung
T 0521-329995019; lutterkort@kunsthalle-bielefeld.de (Christiane Lutterkort)
T 0521-329995010; albrecht@kunsthalle-bielefeld.de (Matthias Albrecht)

Zeichnungen: Vera Brüggemann, 2020, © Vera Brüggemann
Arbeitsanregungen: Karola Eisenblätter

Die Höckelmann Abbildungen sind alle © VG Bild Kunst 2020.
Die Installationsfotos in der Kunsthalle Bielefeld stammen von Philipp Ottendörfer.