Folge 5: Antonius Höckelmann als Bildhauer
Hallo! Wie versprochen, beschäftigen wir uns heute mit den Skulpturen des Künstlers Antonius Höckelmann. Wie ihr wisst, hat er zunächst eine Ausbildung zum Holzbildhauer in Oelde absolviert. Dort hat er gelernt, wie man aus einem Baumstamm oder einem Holzstück eine Figur herausarbeitet. Diese waren in erster Linie für Kirchen und Klöster bestimmt. Vielleicht habt ihr euch schon einmal in einer Kirche umgeschaut und solche Skulpturen entdeckt.
Später in Berlin arbeitet Höckelmann neue Skulpturen, die eigentlich besser Plastiken heißen müssen. Kennt ihr den Unterschied? Bei einer Skulptur schlägt die Bildhauerin oder der Bildhauer eine Form aus einem Stück Holz, Stein oder Marmor heraus. Bestimmt habt ihr schon einmal die berühmten Skulpturen von Michelangelo in euren Schulbüchern gesehen. Bei einer Plastik dagegen wird die Form aufgebaut, geformt. Das kennt ihr vielleicht, wenn ihr schon einmal mit Ton gearbeitet habt. Eine weitere Möglichkeit, räumlich zu arbeiten, ist das Relief. Das ist fast wie eine Mischung aus Malerei und Bildhauerei. Aus einem flachen Grund, der aus Holz, Ton oder auch Pappe bestehen kann, werden die Formen herausgeschnitten oder auf den Grund gesetzt. Es bleibt ein flaches Gebilde, das man an die Wand hängen kann, das aber dreidimensional ist. Schaut mal, dieses Relief stammt von Antonius Höckelmann:
Die Maske, 1993, Eichenholz bemalt, 47 x 49 x 12 cm © VG Bild-Kunst
Solltest du die Möglichkeit haben, mit Sand arbeiten zu können (Sandkasten), so hast du Zugriff auf ein ganz wunderbares Material. Sand eignet sich hervorragend als Material für ein Relief.
Feucht, nicht zu nass, sollte er sein. Du kannst Höhlungen, Wölbungen und Durchbrüche entstehen lassen, arbeitest aber nur auf der Fläche, deine Arbeit ist also später nicht allansichtig.
Wenn du im Freien gearbeitet hast, so kannst du später die Spuren von Wind oder Regen an deinem Relief verfolgen, dein Werk ist also nicht beständig.
Natürlich kannst du dein Relief auch aus Ton, Knete oder Salzteig modellieren. So kannst du zum Beispiel eine Reliefbasis aus Salzteig herstellen. Dafür benötigst du 2 Tassen Mehl, die du mit 1 Tasse Salz vermischt. Diese Mischung musst du dann mit einer Tasse Wasser zu einem geschmeidigen Teig verkneten. Diesen mit dem Nudelholz ca. 2 – 3 cm dick ausrollen, fertig ist deine Reliefbasis! Später kann das Relief oder die Maske bei 60 – 100 Grad für ca. 30 Minuten gebacken werden!
Seine ersten Arbeiten entwickelt Antonius Höckelmann nach Naturvorbildern. Es ist ihm wichtig, das Innere und die dort wohnende Kraft einer Form zu entdecken und zu zeigen. Das klingt kompliziert! Aber vielleicht könnt ihr es euch besser vorstellen, wenn ihr an einen Vulkan denkt. Das ist nicht einfach ein Berg, sondern in ihm schlummert ein Feuer, das jederzeit ausbrechen und glühende Lava hervorschleudern kann. Wie könnte man das gestalterisch ausdrücken? Jetzt im Frühling sprießen die schönen Tulpen aus der Erde und blühen. Sie waren eine Zwiebel, aus der diese Schönheit entsteht. Wie kann man das im Bild oder einer Plastik der Zwiebel darstellen? Oder denkt an die Wurzeln der Bäume, die oft auf dem Weg zu sehen und zu spüren sind. Oder an eine Muschel, die ein Einsiedlerkrebs bewohnt!
In seinen frühen Plastiken versucht Antonius Höckelmann, diese Geheimnisse zu ergründen und sichtbar zu machen.
Ohne Titel, Wurzelknäuel, 1960er-Jahre, Gips, 23,5 x 28 x 25 cm © VG Bild-Kunst
Antonius Höckelmann nutzte als Material für seine dreidimensionalen Arbeiten häufig Ton. Ein ungeformter Tonblock, so groß, dass er ihn mit beiden Händen greifen konnte, war der Ursprung für Plastiken wie z.B. „Wurzelknäuel“. Diese aus Ton entstandenen Formen waren dann später die Grundlage für Gips- oder Bronzegüsse. Da dir Ton eventuell nicht zur Verfügung steht, kannst du stattdessen auch Knete oder Salzteig verwenden. Das Rezept für Salzteig kennst du ja bereits. Auch Knete kannst du selbst herstellen. Dafür brauchst du ca. 20 gehäufte Esslöffel Mehl, die du mit 15 Teelöffeln Salz vermengst. Danach fügst du 2 Esslöffel Öl und 250 ml Wasser hinzu und verknetest die Masse zu einem geschmeidigen Teig. Du könntest diesen noch mit Lebensmittelfarbe einfärben, aber das ist für unsere Übung hier nicht wichtig. Die Knete kannst du in einem Schraubglas aufbewahren.
Wie Höckelmann nimmst du einen Klumpen deines Materials in die Hände. Durch Kneten, Drücken, Herausziehen, Aufbrechen, Durchbohren, Verschieben, Verstreichen des Materials kannst du Höhlungen, Wölbungen und Durchbrüche entstehen lassen. So gelangst du allmählich zu deiner Plastik. Modellieren kannst du mit den Händen, aber auch z.B. mit Holzspießen oder stumpfen Messern. Abstrakt oder gegenständlich, da musst du dich nicht entscheiden, wie Höckelmann kannst du innerhalb einer Arbeit beides zulassen. Lass dich also einfach von dem Material und deinen Ideen treiben.
Achte darauf, dass du die Figur von allen Seiten bearbeitest. Antonius Höckelmann war diese Allansichtigkeit, dass sich also beim Betrachten aus jeder Perspektive eine neue, unerwartete Ansicht bietet, überaus wichtig.
Abschließend kannst du deine Plastik natürlich, wenn du magst, auch noch farbig gestalten.
Eine weitere Frage beschäftigt Antonius Höckelmann bei dem Thema Plastik: Von welcher Seite schaut man sie an und an welchem Ort steht sie?
Bestimmt kennt ihr Denkmäler! Hier in Bielefeld vielleicht z.B. den Leineweber oder auch das Bismarck-Denkmal. Diese historischen Skulpturen stehen normalerweise auf einem Sockel, also erhöht, und wir betrachten sie von vorne. So sind sie auch geplant und angelegt worden. Der berühmte Bildhauer Auguste Rodin (1840 – 1917) verändert Ende des 19. Jahrhunderts diese Auffassung. Er stellt seine Skulpturen auf eine Bodenplatte, die heißt Plinthe. Das bedeutet, wir können die Figuren sehr gut sehen und fühlen uns nicht mehr klein davor. Und wir können um sie herumgehen! Auch das bedenkt Rodin und plant das gut ein. Wir haben so viele Ansichten, mal von vorne oder hinten, von der Seite, können vielleicht sogar unter einem Arm hindurchgucken. Damit eröffnet Rodin nachfolgenden Bildhauer*innen viele neue Möglichkeiten. Manche von ihnen legen später ihre Skulpturen direkt auf den Boden. Im Skulpturenpark der Kunsthalle gibt es sogar eine unter der Erde!
Buchtipp: Für Entdeckungstouren in Bielefeld in Sachen Plastik und Skulptur ist dieses Buch sehr hilfreich. Dort sind Plätze gelistet und kurze Informationen zu den Arbeiten: Reinhard Vogelsang, Stadtzeichen, Skulpturen, Denkmäler und Brunnen in Bielefeld, Eine Dokumentation, Bielefeld 2011
Und Höckelmann? Er möchte am liebsten all seine Plastiken für einen bestimmten Ort schaffen. Aber er weiß natürlich, dass das nicht funktioniert. Sonst könnten wir z.B. jetzt seine Arbeiten nicht im Museum sehen. Zwei Mal aber hat er es geschafft! Er hat die Arbeiten direkt in einem Lokal gebaut – über der Theke immer weiter geformt und gebaut, bis die Plastik seiner Meinung nach fertig war und genau zu diesem Ort passte. Ihr könnt das in unserem Einführungsfilm in der Kunsthalle sehen.
Diese Plastiken sind nicht nur rundum zu sehen, sondern sogar auch von unten. Höckelmann hat sie hängend geformt. Der ungewöhnliche Ort, ein Lokal, entspringt der Idee, Kunst für alle Menschen sichtbar und zugänglich zu machen. Auch für diejenigen, die vielleicht nicht in ein Museum gehen. Der Künstler möchte, dass die Kunst überall im Leben, im Alltag aller Menschen gegenwärtig ist. Und deshalb benutzt er auch Materialien, die alle Menschen kennen: Styropor und Aluminiumfolie! Das sind auch billige Materialien für ihn, die er jederzeit kaufen kann. Anders ist es, wenn Bildhauer*innen bestimmte Steine nutzen wollen, deren Kauf und Anlieferung sehr aufwändig ist. Wenn ihr arbeiten wollt wie Höckelmann, findet ihr vielleicht bei Verpackungsmaterialien Styroporreste oder auch ein wenig Alufolie. Denn heute wissen wir, dass diese Materialien die Umwelt belasten und sollten sie daher nicht verwenden – oder eben höchstens recyceltes Material.
Kopf, Maske II, 1994, Styropor, Aluminiumfolie, Acryl, Holzleim, 70 x 45 x 30 cm
Künstler sind oft auch Sammler. Auch du solltest ab jetzt mit offenen Augen durch den Tag gehen, immer auf der Suche nach Materialien für ein nächstes Kunstwerk. Vielleicht hast du Glück und dir fallen z.B. Styropor- und/oder Alufolienreste in die Hände. Weiterhin kannst du Plastikflaschen, Draht, Zeitungspapier, Gaze, Kartons, Eierverpackungen, Klebebänder…nutzen. Und dann wird zusammengesetzt, geformt, geknotet, gedreht, gewickelt, bis du zu einer Form gelangst, die deinen Vorstellungen entspricht. Vielleicht entsteht ja auch eine Maske. Beginne damit, die verschiedenen Materialien mit Klebebändern oder Draht zu verbinden und in Form zu bringen. Zur weiteren Gestaltung benötigst du Kleister. Bestreiche Zeitungspapierstreifen damit und lege diese Schicht für Schicht um deine Form. So erhält deine Plastik eine Haut, die alles verbindet. Zeitungspapier und Kleister bieten dir aber auch die Möglichkeit, zu formen und so weitere Feinheiten herausarbeiten. Für die letzte Schicht benutze weißes Papier, hier eignet sich z. B. Toilettenpapier. So hast du eine gute Grundlage für die Gestaltung mit Farbe. Denn, nachdem die Papierschichten getrocknet sind, kannst du dein Kunstwerk natürlich noch anmalen.
Und was habt ihr geschaffen? Schickt uns Fotos eurer Werke, bitte! Wir sind so gespannt darauf. Ihr müsst nämlich wissen, dass ihr uns sehr fehlt! Sonst seid ihr mit eurer Schulklasse, mit einer Geburtstagsgruppe oder zu unseren Kursen in der Kunsthalle, wir hören euer Lachen, eure Stimmen und euer Werkeln im Atelier. Dann erleben wir gleich, wie viel Freude euch die Kunst macht! Und jetzt? Jetzt ist es ziemlich still hier. Aber ihr könnt ja mit euren Freunden oder eurer Familie kommen. Und uns eure Werke schicken. Wir freuen uns darauf.
Herzlich – eure Karola, Christiane und Matthias