Folge 8: Olafur Eliasson
Hej, hej! So skandinavisch begrüßen wir euch heute, denn im Mittelpunkt dieser Folge steht der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson (*1967)! Im Skulpturenpark der Kunsthalle könnt ihr seinen Spiral-Pavillon von 1999 anschauen und begehen, der nach der Biennale in Venedig für diesen Platz angekauft wurde. Der Pavillon ist aber nur ein Kunstwerk dieser Folge, mit dem wir uns beschäftigen werden. In den letzten 20 Jahren hat der Künstler ganz viele spannende Werke, Inszenierungen und Installationen entwickelt, die wir euch natürlich auch unbedingt vorstellen möchten. Und ganz am Ende erwartet euch eine Überraschung! Aber nicht schummeln und gleich ans Ende gehen!
Olafur Eliasson, Spiral-Pavillon, 1999/2000, Edelstahl
Den „Spiral-Pavillon“ schuf Eliasson 1999 für die Biennale in Venedig und 2001 wurde er im Park der Kunsthalle aufgestellt. Seine Größe von sechs Metern Durchmesser und fast drei Metern Höhe lässt ihn von weitem wie ein Gerüst für ein riesiges Iglu erscheinen. Aus der Nähe erkennt man dann die schräg verlaufenden Stahlrohre, die rautenförmige Zwischenräume und Öffnungen formen, in denen sich das Licht bricht und die Sonne spiegelt. Durch eine Toröffnung könnt ihr in die halbierte Spiralform hineingehen, durch den kreisförmigen Gang wandern und sie durch ein zweites Tor wieder verlassen. Habt ihr das schon einmal gemacht? Dann habt ihr erlebt, wie die Rohre in eurer Bewegung verschiedene Muster und Strukturen erzeugen, die auf euch und den unterschiedlichen Lichteinfall zurückzuführen sind. Und habt ihr die Stadt, die Gebäude oder den Park einmal durch die Öffnungen hindurch betrachtet? Wie in einem Kaleidoskop erscheinen sie in besonderen Facetten, erhalten eine besondere Wertigkeit.
Und damit seid ihr die Akteure in diesem Kunstwerk, das eben auch nur mit euch funktioniert. Ihr erlebt eure Welt, eure Umwelt vielleicht bewusster bei diesen Durchblicken. Wie beeinflusst das Gitterwerk, die Form des Pavillons eure Wahrnehmung?
Aber ihr könntet euch auch in den Pavillon zurückziehen, seid geschützt, ohne völlig ausgegrenzt zu sein. Wie fühlt ihr euch innerhalb oder auch außerhalb des Pavillons?
Der Spiral-Pavillon ist ein Tunnel aus Stahlrohren, ein Kunstwerk zum Umrunden, Betreten und Verweilen. Er hat weder Anfang noch Ende und scheint so fast unendlich zu sein.
Pavillon, Tunnel, Spirale, Labyrinth, auch du könntest dich mit solchen Formen auseinandersetzen. Tunnel aus Draht biegen, aus Weidenzweigen formen oder Labyrinthe auf Flächen legen. Spiralen hängend, zum Beispiel aus Draht gebogen. Zur Umsetzung dieser Formen bieten sich die unterschiedlichsten Materialien an: Papiere, Sand, Erde, Steine, Kräuter, Draht….
Olafur Eliasson sagt, ihn interessiere der Prozess zwischen Idee und Umsetzung. Also lass dich inspirieren von dem Spiral-Pavillon in unserem Skulpturenpark. Geh hinein in das Kunstwerk! Vielleicht hast du ja im Laufe des Sommers auch die Möglichkeit, nach Gütersloh zu fahren und dort den Dufttunnel im Botanischen Garten zu erleben. Und dann beginne mit deinen Planungen, Ideen, Skizzen.
2004 schuf Eliasson zum Beispiel eine endlose Treppe, die sich selbst umkreist, das begehbare Kunstwerk steht in München.
Sicher fallen auch dir Formen ein, vielleicht kannst du deine gesamte Familie motivieren. Eine Duftspirale aus Kräutern zu bauen, wäre zum Beispiel eine Möglichkeit.
In den Kunstwerken Olafur Eliassons geht es häufig um Phänomene in der Natur: Licht in all seinen Facetten, Wasser in all seinen Erscheinungsformen, flüssig und fließend, als Nebel oder Eis, und vor allem Bewegung. Und immer brauchen die Werke das Publikum. Erst durch die Aktion der Menschen, deren gemeinsames Erfahren der Kunstwerke, werden sie zu einem Erlebnis. Zu einem Erlebnis, das uns für unsere Lebenswelt sensibilisieren kann. Eines, das unser Miteinander fördern kann. Eines, das uns neben den eigenen Sichtweisen auch andere eröffnet.
Island, wo der Künstler einen Großteil seiner Kindheit verbrachte, ist mit seiner Natur prägend für das Werk Eliassons. Sein Interesse an Licht und Wasser ist auf Island geweckt worden. Das könnt ihr sicher gut nachvollziehen. Es ist doch ein Unterschied, ob man in den Bergen oder am Meer, in der Stadt oder auf dem Land aufwächst. Stellt euch doch einmal das eine oder das andere vor und notiert Unterschiede!
Und auf Island? Auf der Vulkaninsel im Eismeer gibt es Wasserfälle, heiße Quellen und 30 Vulkane. Nur wenige Menschen leben dort, gerade einmal so viele wie in Bielefeld. In dem arktischen Klima wachsen keine Bäume und überhaupt nur wenige Pflanzen. Schafe und die berühmten Island-Pferde fühlen sich dort wohl. Die Winter sind lang und die Sommer kurz. Im Winter ist es nur etwas mehr als eine Stunde lang hell, eine Art Dämmerlicht, dafür sind im Sommer auch die Nächte hell – und so versteht man die besondere Beziehung zum Thema Licht!
Hier könnt ihr mehr über diese spannende Insel erfahren.
Olafur Eliasson studierte an der Königlichen Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Seit 1994 lebt er in Berlin und Kopenhagen. In Berlin hat er mittlerweile in einer ehemaligen Brauerei ein Studio eingerichtet, in dem er mit einem Team aus 90 bis 100 Mitarbeiter*innen seine Werke entwickelt. Jetzt seid ihr vielleicht verwundert. Ein Künstler, der nicht alleine seine Arbeiten schafft? Und so viele Leute beschäftigt? Abgesehen davon, dass es solche Werkstätten auch schon zu früheren Zeiten z. B. bei Michelangelo oder Cranach gab, sind Eliassons Werke so umfassend, dass er viele Spezialisten braucht, mit denen er gemeinsam seine Ideen umsetzt. In seinem Studio arbeiten Kunsthistoriker*innen und Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen, Architekt*innen, Designer*innen und Mitarbeiter*innen, die all das verwalten, alle Briefe, Verträge und E-Mails schreiben – und sogar Köch*innen. Eliasson ist es wichtig, dass das Team gut zusammen arbeitet und lebt – und dazu gehört auch leckeres gemeinsames Essen!
Kunst, was verbindest du mit diesem Wort? Vielleicht Bilder, gemalt mit Ölfarben oder Kreiden. Skulpturen, wie du sie aus dem Skulpturenpark kennst.
Du denkst an Künstler*innen wie zum Beispiel Sonia Delaunay, Antonius Höckelmann oder Auguste Rodin.
Ist das Kunst? Diese Frage wirst du dir vielleicht stellen, wenn du Arbeiten von Olafur Eliasson siehst.
Der Künstler Olafur Eliasson arbeitet mit Skulptur, Malerei, Fotografie, Film, Installationen und digitalen Medien. In seinen Arbeiten setzt er sich mit Vorgängen der Natur auseinander: Licht, Wasser, Raum, Bewegung, Nebel, Wind. Wichtig ist ihm das Verhältnis von Mensch und Natur. Alles, was wir hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen löst in uns Empfindungen, Gefühle aus. Und auf diese Weise bezieht Olafur Eliasson die Besucher seiner Ausstellungen in seine Werke mit ein. Ganz subjektiv, mit all ihren Sinnen, lässt er sie seine Arbeiten wahrnehmen und erleben, lässt sie so die Schönheit, aber auch die Verletzlichkeit der Natur, der Welt entdecken und sich als Teil dieser erfahren. Und das nicht nur im Museum oder in einer Galerie, sondern auch durch Architekturprojekte oder Aktionen im öffentlichen Raum, auf der Straße.
Nun bist du vielleicht neugierig geworden. Recherchiere im Internet oder schau dir einen der von uns genannten Filme an. Der Begriff Kunst umfasst danach sicher mehr für dich als Gemälde und Skulpturen. In diesen beiden Filmen kannst du den Künstler und einige Werke kennenlernen, über die wir schreiben. Auch sein Studio wird dort vorstellt, so dass du einen guten Eindruck von der Arbeit des Künstlers erhältst:
https://www.youtube.com/watch?v=VEB3tsPQaz0 (44min)
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/olafur-eliasson-in-der-tate-modern-100.html (2min)
Ihr seht dort u.a. den „Green River“. Für dieses Projekt hat Eliasson zwischen 1998 und 2001 verschiedene Flüsse mit einer ungiftigen Farbe grün eingefärbt. Was glaubt ihr, passierte, als die Menschen das grüne Wasser sahen, ohne zu wissen, dass es sich um ein Kunstwerk, eine Installation handelt?
Wie würdet ihr euch in einem Dufttunnel fühlen?
2003 lockte der Künstler 1,5 Mio. Besucher unter eine künstliche Riesensonne in der Turbinenhalle der Tate Modern in London, indem er mehrere tausend Quadratmeter Spiegelfolie verlegte und halbkreisförmig rote Lampen anordnete, die als Riesensonne erstrahlten.
Ein besonderes Material, das Olafur Eliasson einsetzt, hast du vielleicht zu Hause und spielst damit: Legosteine.
Parallel zu einer weiteren großen Ausstellung 2019 in der Tate Modern in London lässt Eliasson eine Miniaturstadt der Zukunft entstehen. Doch baut er diese nicht selbst, er lässt bauen. Dazu wird eine Tonne weißer Legosteine in die Turbinenhalle gekippt. Ohne Eintritt zu bezahlen sind die Besucher, Kinder und Erwachsene, eingeladen, die Steine zusammenzustecken und ihre Stadt der Zukunft zu bauen.
Und wie sieht deine Stadt der Zukunft aus?
https://www.youtube.com/watch?v=1-0f3Jq_tbo
Vier künstliche Wasserfälle installierte Eliasson in New York unter den großen Brücken zwischen Manhattan und Brooklyn. So konnten die Städter dieser Metropole 2008 die kühle Frische eines isländischen Wasserfalls, die gigantische Kraft des Wassers, erleben.
Für das Konzerthaus und Kongresszentrum „Harpa“ in Reykjavik entwickelte der Künstler 2011 mit seinen Studiomitarbeiter*innen ein spezielles Glas, das seine Farbe je nach Wetterlage und Blickwinkel verändert. Die unterschiedlichen Tageslichtfarben werden bis in die Stadt reflektiert. Das Glas schenkt Licht in den dunklen Wintermonaten!
Auf Island entstand in einem Langzeitprojekt eine Fotoserie, für die Eliasson mit einem Hubschrauber über die Vulkankrater geflogen ist. So können auch wir diese faszinierenden Einblicke erleben. Die Fotografien von Gletschern wurden zu einer Dokumentation der Erderwärmung, dem Schmelzen der Gletscher.
Auch du könntest mit dem Fotoapparat die Natur deiner Umgebung festhalten. Gibt es Orte, die dir besonders wichtig sind? Orte, die besonders geschützt werden sollten?
Die Serpentine Galleries in London baten im Jahr 2020 Künstler*innen, Werke und Ideen zu entwickeln, die auf den Klimanotstand reagieren. Olafur Eliasson entwickelte dazu neun Bilder, die verschiedene Ansichten der Erde zeigen, immer fixiert auf eine Region, die in besonderer Weise bedroht ist.
Eliasson nutzt für die Gestaltung dieses Werkes „Earth Perspectives“ seine Kenntnisse zur Farbenlehre. Bestimmt hast du schon einmal von Farbkontrasten gehört. So gibt es Farben, die sich gegenseitig besonders zum Leuchten bringen. Zum Beispiel Rot und Grün, Blau und Orange oder Gelb und Violett.
Unser Auge ist so gebaut, dass es diese Kontraste noch verstärkt. Das kannst du in einem kleinen Experiment feststellen. Nimm ein rotes Papier, lege es auf eine weiße Fläche. Nun schau auf das rote Papier, zähle dabei bis zehn. Dann zieh das rote Blatt weg, deine Augen verbleiben aber auf dem weißen Papier. Nach wenigen Sekunden wird an der Stelle des roten Papieres eine grüne Fläche sichtbar. Mit diesen Nachbildern, so nennt man diese Farbflächen, arbeitet Olafur Eliasson auch in seinem Projekt „Earth Perspectives“.
https://olafureliasson.net/press/earthperspectives
Für das Münchner Museum Lenbachhaus entwickelte der Künstler 2013 eine Lichtskulptur. Ein Wirbelwerk wie ein Strudel aus unzähligen Glasstücken hängt jetzt dort in der Eingangshalle und begeistert die Menschen mit seinen reflektierenden Farben, dem Erleben von Licht!
2014 konnten Besucher des dänischen Museums Louisiana in Kopenhagen über isländisches Geröll und durch plätschernde Bäche wandern, erlebten die Natur im Raum, im Museum!
Ihr merkt, mit all seinen Arbeiten präsentiert uns der Künstler Phänomene oder Dinge, die eigentlich immer da sind. Aber dadurch, dass er sie nachstellt, werden sie zu einer Installation. Niemals vermittelt er sie uns als Täuschung. Die Technik bleibt immer sichtbar. Und doch staunen wir: Da scheinen Wassertropfen in der Luft zu stehen, es gibt riesige Eisflächen unter tropischer Sonne in Brasilien, Wasserfälle in der Stadt und manche fließen sogar aufwärts, es gibt Nebelschwaden in Räumen und zwei untergehende Sonnen! Die Gesetze der Natur sind in diesen Inszenierungen aufgehoben. Eliasson führt Natur und Technik zusammen, um uns für Dinge und Prozesse zu sensibilisieren und sie uns erleben zu lassen. Erwarten wir nicht in einem Museum besondere und kostbare Dinge? Ja – und die Natur ist es! Im Museum oder bei einer Installation hört ihr vielleicht genauer hin, erlebt das Plätschern eines Baches bewusst, obwohl ihr vielleicht jeden Tag hier in Bielefeld an der kleinen Lutter entlang lauft. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr plötzlich im Museum auf eure Füße schauen müsst, um heile über einen Geröllboden zu laufen? Wie unter einer riesigen Sonne? Was würdet ihr denken und fühlen, wenn ihr Gletschereis vor einem Haus in der Stadt schmelzen sehen würdet, es anfassen könntet? Das ist sicher viel ergreifender, fassbarer im wahrsten Sinn des Wortes, als wenn ihr vom Klimawandel nur lesen und hören würdet.
Umweltschutz und Klimawandel sind wichtige Themen unserer Zeit, die euch und vor allem eure Zukunft beeinflussen. So startet Olafur Eliasson am 01. Juli 2020 ein tolles Projekt, an dem ihr mitwirken könnt!
Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union wechselt zwischen den EU-Mitgliedstaaten alle sechs Monate. Ab dem 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland die Präsidentschaft.
Außenminister Heiko Maas betraute den Künstler Eliasson mit der Umsetzung eines Kunstwerks im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Das Goethe-Institut unterstützt die Umsetzung dieses Projekts.
Olafur Eliasson sagt, er wolle die Zukunft unseres Planeten gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen über die Grenzen hinweg in allen EU-Ländern thematisieren. Kinder seien Experten.
So entstand das Online-Kunstwerk “Earth Speakr”, das vor allem Kinder und Jugendliche ansprechen soll. Schau dir auf jeden Fall diesen kleinen Film an, der dich trotz des ernsten Themas mit seiner Fröhlichkeit anstecken wird. Du kannst ab dem 1. Juli auf der digitalen Plattform Sprachbotschaften hinterlassen und von deinen Hoffnungen und Wünschen für die Zukunft Europas und der Erde erzählen. Deine Ideen sind hier gefragt, werde Teil dieses besonderen Kunstwerks “Earth Speakr”!
Wie immer – schickt uns gerne Abbildungen eurer Werke und schreibt uns!
Herzliche Grüße – Karola, Christiane und Matthias
© Foto Spiral-Pavillon: Philipp Ottendörfer
© Illustrationen: Vera Brüggemann