(Deutsch) Folge 10: Jacoba van Heemskerck
Hallo! Heute begrüßen wir euch im Teens-Club! Wir heißen Finja, Merle und Oliver und absolvieren gerade ein Schulpraktikum in der Kunsthalle. Das ist total spannend und macht Spaß, denn wir entdecken jeden Tag neue Dinge. Und wir hatten das Glück, genau zu der Zeit hier zu sein, als die Arbeiten von Monica Bonvicini eingepackt und die Werke von Jacoba van Heemskerck aufgehängt wurden. Davon möchten wir euch berichten. Kommt mit:
Hurra Ferien! Sicher freut ihr euch auf unbeschwerte Sommertage, an denen ihr tun und lassen könnt, was ihr möchtet. Vielleicht ist auch die Neugierde auf eine Künstlerin dabei, die wirklich sehr mutig und unkonventionell war und vor allem konsequent ihren Weg gegangen ist. Kompromisslos modern eben! Ihre Kunst und die Zeit, in der sie lebte, zu entdecken, macht wirklich Spaß!
Oder ihr habt Lust, zuhause oder auf der Ferienreise zu zeichnen, zu drucken oder zu malen und euch dabei von ihr und uns inspirieren zu lassen? Dann schaut vor allem unsere kreativen Anleitungen an!
Also, herzlich willkommen in unserem sommerlichen Teens-Club! Natürlich laden wir euch, auch weiterhin bei freiem Eintritt (bis 18 Jahre), herzlich zu uns in die Kunsthalle ein, um die Arbeiten der Künstlerin und andere Werke im Original anzuschauen.
Unsere neue Ausstellung heißt „Jacoba van Heemskerck. Kompromisslos modern“. Jacoba? Van? Heemskerck? Was für ein eigenartiger Name? Das denkt ihr vielleicht jetzt. Ja, Jacoba ist ein sehr alter Name. Der Zusatz „ van“ in ihrem Namen zeigt uns ihre adelige Herkunft an. Und Heemskerck – das ist niederländisch.
Jacoba van Heemskerck wurde im vorletzten Jahrhundert, 1876, in den Niederlanden geboren. Sie starb 1923.
Ihre ausführliche Biografie könnt ihr hier lesen!
Biografie
1876
Jacoba van Heemskerck wird am 1. April in Den Haag als jüngstes von sechs Kindern geboren. Ihr Vater Jacob Eduard van Heemskerck ist Marineoffizier und ein anerkannter Maler von Seestücken.
1897
Beginn des Kunststudiums an der Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten in Den Haag.
1901
Nach dem Tod ihrer Mutter zieht van Heemskerck zusammen mit ihrer Schwester nach Hilversum in der Nähe von Utrecht. Bei Ferdinand Hart Nibbrig im Künstlerdorf Laren nimmt sie Unterricht in den grafischen und zeichnerischen Künsten. In den folgenden Jahren wiederholte Aufenthalte in der Kunstmetropole Paris, um Kurse im Atelier von Eugène Carrière zu besuchen.
1905
Umzug nach Den Haag, in die Nähe ihrer Freundin Marie Tak van Poortvliet. Fortan regelmäßige Beteiligung an Ausstellungen der Künstlervereinigung St. Lucas im Stedelijk Museum Amsterdam.
1906
Beide Frauen verbringen seit diesem Jahr die Sommermonate am Meer in Domburg, ein Ort, an dem ein reger Austausch zwischen jungen Künstler*innen entsteht.
1910
Van Heemskerck tritt der Theosophischen Gesellschaft bei.
1911
Sie stellt von nun an jährlich im Moderne Kunstkring in Amsterdam, auf der Domburger Sommerausstellung im Pavillon von Jan Toorop und auf dem Salon des Indépendants in Paris aus.
1913
Beim Ersten Deutschen Herbstsalon von Herwarth Walden in Berlin, eine der wichtigsten Avantgarde-Ausstellungen der Vorkriegsjahre, zeigt sie vier Gemälde. Beginn der Freundschaft mit Herwarth und Nell Walden, Begründer der Sturm-Bewegung, der sich van Heemskerck bis zuletzt verbunden fühlt.
1914
Erste Ausstellung beim Sturm und Auftakt zahlreicher Holzschnittentwürfe für dessen Zeitschrift. Van Heemskerck überträgt die exklusiven Ausstellungs- und Vertriebsrechte an Herwarth Walden und nummeriert fortan ihre Werke. Aus der niederländischen Kunstszene zieht sie sich zurück.
1915
Jacoba van Heemskerck und Marie Tak van Poortvliet werden Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft.
1916
Begegnung mit dem Medizinstudenten Willem Zeylmans van Emmichoven, mit dem sich van Heemskerck intensiv über Rudolf Steiners Anthroposophie austauscht
1917
Van Heemskerck unternimmt Sturm-Aktivitäten in ihrem Atelier in Den Haag. Im Sinne der Sturm-Kunstschule gibt sie einmal in der Woche Unterricht. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Bühne und einem Puppenspiel.
1918
Sie macht empirische Experimente zur emotionalen Wirkung von Farben auf Betrachter*innen. Erste Glasfensterentwürfe entstehen, eine Idee, mit der sich die Künstlerin bereits 1914 befasste.
1920
Jacoba van Heemskerck realisiert große Glasarbeiten, unter anderem für die Villa Wulffraat in Wassenaar. Wie viele andere Künstler*innen distanziert sie sich zunehmend vom Sturm. Sie organsiert selbstständig Ausstellungen, auch wieder in den Niederlanden, wo ihre Glaskunst große Anerkennung findet.
1921
Für die Marinekaserne in Amsterdam erhält die Künstlerin einen Großauftrag zur Gestaltung von Glaskunstfenstern. In diesem und im Folgejahr plant van Heemskerck Ausstellungen in den USA sowie in Amsterdam, Brüssel und Paris.
1923
Am 3. August stirbt die Künstlerin mit nur 47 Jahren in Domburg. Zu ihren Ehren organisiert Herwarth Walden eine reisende Gedächtnisausstellung. Als posthume Würdigung veröffentlicht er zudem das Sturm-Bilderbuch VII (1924).
Marie Tak van Poortvliet, die eine bedeutende Kunstsammlung, insbesondere auch mit Arbeiten von Jacoba van Heemskerck aufbaute, vermachte Teile davon dem Kunstmuseum Den Haag, das heute die größte Sammlung mit ihren Werken beherbergt. Weitere Werke sind u. a. im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, im Kunstmuseum Bern, in der Berlinischen Galerie, im Landskrona Museum bei Malmö und im Marie Tak van Poortvliet Museum in Domburg zu sehen.
Wir tauchen also in die Zeit vor über hundert Jahren ein. Jacobas Vater war ein adeliger Marineoffizier und Maler von Seestücken. Das sind Bilder mit maritimen Themen, wie z.B. Segelschiffe oder Meeresansichten. Jacobas künstlerisches Interesse stieß also auf Verständnis in der Familie. Zunächst. Natürlich unterrichtete ihr Vater sie, lehrte sie das Zeichnen. Ab 1897 studierte sie sogar Malerei an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag. Das war zu der Zeit etwas ganz Besonderes und wäre in Deutschland gar nicht möglich gewesen. Hier durften Frauen erst nach 1919 an den Kunstakademien studieren. Da hat sich doch sehr viel verändert in den letzten hundert Jahren!
Aber dort lernte Jacoba traditionelle Auffassungen und Techniken kennen, die sogenannte akademische Malerei. Landschaften, Porträts und historische Ereignisse standen auf dem Stundenplan. Hier wurde gelehrt, wie man das realistische Vorbild, die Natur am besten nachahmt und den Eindruck vermittelt, das Bild bilde die Natur direkt ab.
Hier findest du nähere Informationen zur akademischen Malerei.
Jacoba van Heemskerck in ihrem Atelier, 1915
© RKD Niederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis
Und das wollte Jacoba eben nicht! Sie merkte sehr schnell, dass sie in ihrer Malerei etwas anderes ausdrücken wollte. Sie wollte nicht einfach die Natur nachahmen. Sie suchte nach dem Erleben hinter den Dingen, nach Gefühlen und Stimmungen, nach der Rolle von Farben und Formen und welche Wirkung sie auf uns haben. Und sie war nicht die Einzige, die so empfand.
Wie viele andere Künstler*innen reiste sie immer wieder nach Paris. Dort war es möglich, sich in Kursen an privaten und staatlichen Akademien fortzubilden. Und die künstlerische Atmosphäre der Stadt mit den vielen Museen beflügelte sie.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Jacoba in niederländischen Ausstellungen vertreten. Sie lernte andere Künstler*innen kennen, organisierte sich in Künstlervereinigungen. Vor allem aber studierte sie die modernen Bewegungen und Neuerungen in der Kunst, die sie auf ihren Reisen und Ausstellungen kennenlernte. Auch andere Künstler*innen nutzten jetzt kräftige Farben und bildeten die Natur nicht mehr detailgetreu ab.
Jacoba van Heemskerck ist neue und mutige Wege gegangen. Sie hat sich von der traditionellen dunkeltonigen Malweise abgewendet und im Verlaufe von zwei Jahrzehnten ihren eigenen Stil entwickelt. Das könnt ihr anhand der Arbeiten in unserer Ausstellung sehr gut nachvollziehen. Dort macht ihr sozusagen einen Spaziergang durch ihre Entwicklung, ihre verschiedenen Schaffensphasen. Und einige Arbeiten lernt ihr schon bei uns kennen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten sich zahlreiche neue Kunststile. Man spricht von der Avantgarde (ein Begriff, der ursprünglich aus dem Militär stammt und die Vorhut einer Armee beschrieb) und meint damit Personen, die sich für geistige und künstlerische Neuerungen einsetzen. Im Bereich der Kunst waren es diejenigen, die sich von der traditionellen akademischen Malerei abwandten.
Erstelle eine Zeitleiste, in der du die Kunststile der sogenannten Klassischen Moderne einträgst: Expressionismus, Futurismus, Kubismus, Orphismus, Konstruktivismus, Dadaismus, Surrealismus und Neue Sachlichkeit.
Weiterhin füge namhafte Vertreter*innen der unterschiedlichen Stile hinzu. Ebenso typische Merkmale der Stile. Du erhältst so eine gute Übersicht über die Geschehnisse in der Kunst zu Beginn des letzten Jahrhunderts.
Diese Geschehnisse im Bereich der Kunst sind natürlich auch Reaktionen auf historische Umstände. Wenn du magst, füge auch diese noch in deine Zeitleiste ein.
Impulse bietet dir folgende Webseite:
https://www.lernort-mint.de/allgemeinwissen/kultur/kunstepochen/
kurze und knapp formulierte Informationen diese:
https://malen-lernen.org/kunstepochen-kunststile/
Gerne kannst du auch in unsere Bibliothek kommen und dich informieren. Vielleicht macht es dir Freude, dort in den Büchern zu stöbern und Bilder anzusehen.
In unserer Ausstellung „Wir waren im Sturm. Blick in die Sammlung #2“ kannst du diese neuen Stile dann sicher entdecken!
Bestimmt fragt ihr euch, wie die Künstlerin lebte! Das wollten nämlich die Kinder und Jugendlichen, die schon bei uns waren, immer wissen.
Jacoba van Heemskerck war nicht verheiratet und hatte auch keine Kinder.
Marie Tak van Portvliet, o.J., © Kunstmuseum Den Haag
In ihrer Lebensgefährtin Marie Tak van Portvliet hatte Jacoba eine Freundin gefunden, die ihre Leidenschaft für die Kunst teilte. Marie legte sogar eine Sammlung moderner Kunst an, die sie später einem Museum schenkte. Sie kaufte auch immer wieder Arbeiten ihrer Freundin Jacoba an. Durch eine Erbschaft war Marie sehr vermögend. Das war ein großes Glück für die Freundinnen, denn auch Jacoba verfügte über Geld und konnte darüber hinaus auch gut von ihren Bildverkäufen leben. So unternahmen Marie und Jacoba viele Reisen, besuchten Ausstellungen und waren oft mit anderen Künstler*innen zusammen. Ab 1905 verbrachten sie die Sommermonate gemeinsam in Domburg am Meer – das merkt man Jacobas Bildern an.
Der kleine Ort Domburg an der niederländischen Nordseeküste entwickelte sich schnell zu einem Künstlertreff. Ausstellungen fanden statt, man arbeitete gemeinsam und vor allem wurde viel diskutiert.
Das ursprüngliche Haus und auch ein Ausstellungsgebäude der beiden Frauen sind im Laufe der Zeit durch Wind und Wetter zerstört worden, aber es gibt heute an der Stelle einen Nachbau, in dem das Marie Tak van Portvliet Museum beheimatet ist. Hier kannst du es anschauen. Wer weiß, vielleicht führt dich irgendwann einmal eine Ferienreise in die Nähe und du kannst die Orte, an denen Jacoba van Heemskerck gelebt und gearbeitet hat, besuchen.
Buchtipp:
Francisca van Vloten, Die Maler von Domburg, Zwolle 2021, ISBN 978 946 258 3573
Jacoba van Heemskerck
Kiefernwald, 1910
Öl auf Leinwand
93,6 x 71,3 cm
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag
Nach ihrer akademischen Ausbildung und vielen neuen Impulsen entstand 1910 dieser Kiefernwald. Ihr seht sicher gleich, dass die Bäume nicht naturgetreu darstellt sind. Jacoba ist hier sehr frei mit den Farben umgegangen. Die Bäume entwickelte sie aus grünen und blauen Farbtupfern, zwischen denen die Baumstämme als rötliche Linien leuchtend hervortreten. Trotzdem habt ihr an der Form sicher sofort die Bäume erkannt. Ist es nicht eher eine Stimmung, die sie vermittelt? Vielleicht erinnert euch diese Stimmung ein wenig an Italien, wenn ihr dort schon einmal gewesen seid. Dort gibt es Pinien, eine besondere Kiefernart. Sie sind am Mittelmeer zuhause, ihre Verwandten, die Kiefern, an der Nordsee, wo Jacoba und Marie die Sommermonate verbrachten. Es ist also meist warm, aber auch windig. So sind Jacobas Bäume vom Wind geformt, beugen sich. Und die Farben?
Was verbindest du mit Blau oder Grün, Türkis, Lila oder Orange? Wenn du magst, schreibe ein kleines Elfchen dazu.
1. Zeile: ein Wort – eine Farbe
2. Zeile: zwei Wörter – etwas, das diese Farbe hat
3. Zeile: drei Wörter – wo/wie es ist
4. Zeile: vier Wörter – der eigene Eindruck
5. Zeile: ein Wort – Fazit
Jacoba interessierte das Licht und dessen Wirkung auf ihre Farben. Vielleicht habt auch ihr an sommerliches Licht gedacht und wie es Farben verändert. Jacobas Interesse an Licht wächst jedenfalls mit der Zeit und gipfelt in ihren Glasfenstern, wie ihr später sehen werdet. Immer wieder ist sie auf der Suche, ihre Farben zum Leuchten zu bringen. Und sie wollte die Natur nicht länger abbilden, sondern das Wesen der Dinge darstellen. Deshalb suchte sie nach Formen, die für die Dinge stehen und nach Farben, die ihr Wesen ausdrücken können.
Schaut euch dieses Gemälde an! Was entdeckt ihr dort? Und wie empfindet ihr die Atmosphäre im Bild?
Jacoba van Heemskerck
Bild Nr. 33 (Meer mit Schiffen), 1915
Öl auf Leinwand
80,5 x 100,5 cm
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag
Sicher seht auch ihr den sonnigen Himmel, das Meer, Segelboote, vielleicht einen Steg, Häuser und auch Berge. Jacoba stellte alles vereinfacht und stark reduziert dar. Sie war sehr vertraut mit ihren Lieblingsmotiven, den Schiffen und Segelbooten, der niederländischen Küstenlandschaft, Fischerdörfern und Meerestieren und vor allem mit Bäumen.
Diese Motive hat sie am Anfang ihres Schaffens naturgetreu wiedergegeben, dann stark vereinfacht. Stilisiert sagt man auch. Ein nächster Schritt war, zu abstrahieren, d.h. noch etwas weiter vom Gegenstand abzurücken. Und abstrakt zu malen, bedeutet dann, dass wir gar keine Gegenstände mehr erkennen. Auch abstrakt hat Jacoba gemalt. Dort waren ihr allein der Rhythmus und die Dynamik der Kompositionen wichtig.
Aber hier erleben wir eine Szene am Meer, die uns den Wind, die bewegten Segel und das Meer vermittelt. Die Atmosphäre? Der gelbe Himmel und vor allem die rosafarbene Fläche und die dynamischen kurvigen Formen vermitteln uns eine positive Stimmung. Die schwarzen Striche strukturieren das Bild. Teilt ihr diesen Eindruck?
Jacoba nennt ihre Bilder übrigens immer „Bild“ und nummeriert sie. Sie wählt hier die deutsche Sprache. Bisweilen geben uns die Untertitel einen Hinweis auf das Dargestellte: Bild Nr. 33 (Meer mit Schiffen). Aber eigentlich wollte Jacoba uns die Freiheit der Betrachtung lassen. Denn ein Titel beeinflusst uns in unserem Sehen!
Betrachtet doch das nächste Bild erst einmal, ohne den Titel zu lesen. Was passiert in diesem Bild?
Jacoba van Heemskerck
Bild Nr. 46 (Rochen), 1916
Öl auf Leinwand
95,5 x 72,5 cm
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag
Bei einem Aufenthalt in Berlin 1916 besuchte Jacoba das dortige Aquarium, fertigte Zeichnungen an, nach denen dieses Gemälde und einige Holzschnitte entstanden. Was entdeckt ihr? Vielleicht den Rochen, auf den sie im Untertitel hinweist? Vielleicht das im Dunkel des Meeres verborgene bunte Universum? Ins Zentrum des Bildes hat Jacoba einen grünlich leuchtenden Rochen gesetzt. Mit seinen roten Augen bahnt er sich einen Weg durch das Schwarz, angedeutet durch das blau schimmernde Licht vor und hinter ihm. Er schwimmt an andersartigen Meerestieren vorbei, die in ihrer Abstraktion undefinierbar bleiben. Oder entdeckt ihr, wie manche Kunsthistoriker*innen, sogar Jacoba selbst im Porträt? Jacoba, die zu den Geheimnissen des Lebens vordringen möchte? Ihr merkt, es gibt viele Sichtweisen und alle haben ihre Berechtigung!
Wie würdest du dich als Tier oder als Pflanze porträtieren? Probiere es doch einmal aus?
Jacoba hatte 1912 den Galeristen und Verleger Herwarth Walden und dessen Frau Nell kennengelernt, die in Berlin die Sturm-Galerie und den Sturm-Verlag führten.
Fortan verband die drei eine intensive Freundschaft und Jacoba fühlte sich ihren deutschen Freunden sehr verbunden. Daher reiste sie oft nach Berlin und war bei den Ausstellungen, die Herwarth Walden organisierte, sehr oft vertreten. Sie schrieben sich viele Briefe und Postkarten, von denen fast 300 erhalten sind. Solche Schriftstücke sind für uns heute ein wichtiges Zeugnis, um über die Zeit, die Gedanken und die Aktivitäten der Künstler*innen mehr zu erfahren. Aufbewahrt werden sie in der Staatsbibliothek Berlin und einige davon könnt ihr nun bei uns in einer Ausstellungsvitrine lesen. Jacoba schrieb ihre Briefe und Karten auf Deutsch!
Wenn ihr mögt, recherchiert einmal zum „Sturm“ und zu Herwarth Walden. Ihr werdet einen sehr engagierten Menschen kennenlernen, der für die neue Kunst brannte und vielen Widerständen trotzte. Er ebnete nicht traditionell arbeitenden Künstler*innen ihren Weg zu Bekanntheit und Anerkennung und war unermüdlich in Sachen neuer Kunst. Diese war für ihn allumfassend, so dass er neben der Galerie und der Zeitschrift, eine Schule gründete, in der junge Künstler*innen ausgebildet werden sollten. Eine Bühne und Sturm-Bücher kamen dazu und viele Künstler*innen waren dort eingebunden.
Anregungen und Informationen findet ihr auf den Seiten der Schirn in Frankfurt.
Ein wichtiger Impuls für ihre Auffassung von Formen war Jacobas Leidenschaft für das Zeichnen und die Druckgrafik. Seit 1901 hatte sie privaten Zeichenunterricht genommen und dort lernte sie auch die Druckgrafik kennen. Besonders gern arbeitete sie mit dem Holzschnitt.
Jacoba van Heemskerck
Komposition (Baum), 1915
Holzschnitt auf Japanpaier
37,9 x 30.3 cm (Blatt)
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag
Jacoba van Heemskerck
Komposition 9 Nr. 18 (Boote)
Holzschnitt auf Papier
35,2 x 47,8 cm (Blatt)
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag
So wie sie ihren Gemälden keine Titel gab, sondern sie als Bilder nummerierte, bezeichnete sie ihre Holzschnitte und Zeichnungen als Komposition. Das lag in ihrer Auffassung, die Farben und Formen harmonisch im Bildraum zusammenzustellen, begründet. Es unterstützte ihre Ansicht, dass nicht das Motiv alleine wichtig ist, sondern dessen Bedeutung für die Betrachter*innen und das Zusammenspiel. Das wird bei den Booten sicher besonders deutlich. Ihre Holzschnitte waren übrigens in den Jahren von 1914 – 1923 sehr oft auf den Titelseiten der Kunstzeitschrift „Der Sturm“ abgedruckt, so dass Jacoba nicht nur über Ausstellungen, sondern auch auf diesem Weg international bekannt wurde.
Linolschnitt
Eine Technik, die die niederländische Künstlerin häufig einsetzt, um landschaftliche Motive darzustellen, ist der Holzschnitt. Zu Beginn geometrisch vereinfacht, mit klaren, eckigen Flächen, entwickelt sie hier um 1918 dynamisch schwingende Formen.
Statt der Technik des Holzschnittes nutzen wir die des Linolschnittes, da diese leichter umzusetzen ist. Ansonsten ähneln sich die beiden Techniken sehr. Beides sind Hochdruckverfahren, denn abgedruckt werden nur die hochstehenden Linien und Flächen.
Linoleum, Mitte des 19. Jahrhunderts als Fußbodenbelag entwickelt, ist ein recht günstiges Material. Linolplatten und das entsprechende Werkzeug sind im Kreativ-Handel erhältlich. Die Bearbeitung der Linolplatten ist an einem normalen Arbeitstisch möglich.
Du brauchst
Zeichenpapiere
Transparentpapier
Bleistift
Edding
Linoleumplatte
Werkzeug (Set mit auswechselbaren Klingen)
Linol – Druckfarben
Farbwalze
Kunststoff-/Glasplatte zum Auswalzen der Farbe
Pflaster, das du hoffentlich nicht nutzen musst!
Lege zuerst alle Werkzeuge und Materialien bereit, die du zum Schneiden des Linolschnittes benötigst.
Lege die Linolplatte während des Schneidens direkt auf deinen Arbeitstisch, ohne irgendwelche Unterlagen. So kannst du das Linoleum mit der Hand sicher halten und führen. Unterlagen würden eventuell verrutschen, sie bilden eine unnötige Gefahr.
Ja und da sind wir bei einem wichtigen Thema, der Verletzungsgefahr.
Die Klingen der kleinen Linolschnitt-Werkzeuge sind sehr scharf, so besteht durchaus die Gefahr der Verletzung. Arbeite mit den kleinen Hohleisen möglichst ruhig und mit fließenden Bewegungen. Schneide nicht zu tief in das Material, es reicht, wenn du an Stellen, die später im Druck nicht zu sehen sein sollen, wenige Millimeter der Oberfläche abträgst.
Trotzdem kann es passieren, dass du beim Schneiden mit dem Werkzeug abrutscht. So ist es wichtig, stets vom Körper und den Fingern weg zu schneiden. Die Hand, die die Linolplatte hält, sollte also immer hinter dem Werkzeug liegen. Die Platte drehst du jeweils entsprechend.
Wenn du die Linolplatte erwärmst (Föhn), wird sie etwas weicher und lässt sich so leichter bearbeiten.
Jacoba van Heemskerck wählt als Motiv mehrfach Segelboote, aber auch Bäume. Ich entscheide mich hier auch für das Motiv des Baumes.
Na, welches Motiv wählst du? Hast du schon eine Idee?
Das Motiv kannst du mit einem Edding oder einem Bleistift direkt auf die Linolplatte zeichnen. Im Druck würde das Motiv dann später gespiegelt erscheinen.
Um das zu vermeiden, zeichne den Entwurf deines Motivs auf ein Pergamentpapier. Drehst du anschließend das Papier um, siehst du auf der Rückseite dein Motiv gespiegelt durchscheinen. Diese gespiegelte Zeichnung überträgst du auf die Linolplatte.
Das geht recht einfach. Die Linien dieser gespiegelten Zeichnung ziehe mit dem Bleistift nach. Du zeichnest jetzt also auf der Rückseite des Pergamentpapieres. Dann lege das Pergamentpapier mit dieser gespiegelten Zeichnung nach unten auf deine Linolplatte. Klebe das Papier an den Rändern fest, damit es nicht verrutscht. Nun zeichne die Linien der Zeichnung mit dem Bleistift genau nach, drücke dabei fest mit dem Bleistift auf. Wenn alles geklappt hat, müsstest du jetzt auf deiner Linolplatte dünne Bleistiftlinien erkennen. Die Linien der übertragenen Zeichnung verstärke anschließend mit einem wasserfesten Filzstift.
Schwärze auch all die Flächen, die später beim Druck farbig zu sehen sein sollen. So erkennst du während des Schneidens immer deutlich, welche Flächen stehen bleiben sollen und welche du noch bearbeiten musst.
Vor dir liegt nun das Spiegelbild deiner Entwurfszeichnung.
Die Arbeit mit den kleinen Werkzeugen kann beginnen. Lege die Linolplatte direkt auf den Arbeitstisch. So lässt sie sich während des Schneidens leicht drehen. Achte darauf, dass die Hand, die die Platte hält, immer hinter dem Werkzeug liegt. Dreh die Platte jeweils entsprechend.
Je nach Stärke der zu schneidenden Linie, wähle dein Werkzeug. Du hast in einem Set breite und sehr schmale Hohleisen.
Mit diesen Werkzeugen schneidest du all die Flächen aus der Linolplatte, die später beim Druck nicht mehr zu sehen sein sollen.
Arbeite sehr sorgfältig, nicht auf Tempo! Denn alles, was du wegschneidest, ist für immer weg. Hier gibt es keine Möglichkeit der Korrektur.
Hast du deinen Linolschnitt beendet, bereite deinen Platz für das Drucken vor. Nun ist es sicher sinnvoll, den Arbeitstisch abzudecken und ihn so vor der Druckfarbe zu schützen.
Lege die Platte zum Auswalzen der Farbe bereit. Mit der Farbwalze walze darauf eine kleine Menge der Linol – Druckfarbe aus. Diese Farbe übertrage dann mit der Walze gleichmäßig auf die Linolplatte.
Alle nicht bearbeiteten, hochstehenden Flächen müssen von der Farbe bedeckt sein und werden später abgedruckt. Daher stammt ja der Begriff „Hochdruck“.
Nun legst du die Linolplatte möglichst mittig mit der eingefärbten Seite auf ein Zeichenpapier. Presse die Platte auf das Papier. Drehe alles vorsichtig um und streiche mit der Handfläche über das Papier. Solltest du noch eine zweite, saubere Walze haben, kannst du auch mit dieser über das Papier rollen und Druck ausüben. Die aufgewalzte Farbe gelangt so auf das Papier.
Dieser erste Druck wird als Probedruck bezeichnet. Er zeigt dir, an welchen Stellen du nicht sauber genug gearbeitet hast.
Nun kannst du erneut an der Linolplatte arbeiten. Markiere alle Stellen, die du noch verbessern möchtest. Schneide anschließend Stellen, die nicht sichtbar sein sollten und dich stören, weg.
Probedrucke können so lange gemacht werden, bis du mit dem Druck vollkommen zufrieden bist.
Wichtig ist, dass du deinen Linolschnitt mehrfach mit der von dir gewählten Farbe einwalzt und abdruckst. Du wirst sehen, dass alle Drucke etwas unterschiedlich sein werden.
Und du wirst hoffentlich erleben, wie viel Spaß auch das Experimentieren mit anderen Farben oder verschiedenen Papieren macht. So kannst du deine Linolplatte zum Beispiel auch mehrfarbig einwalzen.
Die Linolplatte kannst du zwischenzeitlich unter fließendem Wasser säubern.
Unbedingt notwendig ist das Säubern der Platte zum Schluss deiner Druckaktion.
Styrenedruck
Sehr viel einfacher durchzuführen, ist der Styrenedruck, ein in Japan entwickeltes Verfahren des Hochdrucks. Wie beim Linol- oder Holzschnitt werden die hoch stehenden, unbearbeiteten Flächen farbig gedruckt.
Die recht kostengünstigen Styreneplatten sind im Kreativ – Handel erhältlich und lassen sich kinderleicht bearbeiten.
Du brauchst
Zeichenpapiere
evtl. Transparentpapier
Bleistift
Styreneplatte (Styroporplatte)
Farbwalze
Linol – Druckfarbe
Kunststoff-/Glasplatte zum Auswalzen der Farbe
Das Motiv ritzt du einfach mit einem nicht zu spitzen Bleistift in die Styreneplatte. Beachte, wie beim Linolschnitt wird das von dir eingeritzte Motiv im Druck gespiegelt dargestellt.
Möchtest du das vermeiden, zeichne dein Motiv auf Transparentpapier vor. Drehe dieses anschließend um und übertrage das auf der Rückseite sichtbare, gespiegelte Motiv auf die Styreneplatte.
Mit dem Bleistift ritzt du die Konturen des Motivs in die Styreneplatte. Diese Rillen bleiben später beim Aufwalzen der Farbe farbfrei und lassen beim Druck das Papier durchscheinen.
Nutzt du also weißes Papier, erscheinen diese Linien beim Druck weiß. Dieser Druck wird deshalb auch „Weißliniendruck“ genannt.
Nach einigen Abzügen verliert der Druck an Schärfe. Die Anzahl der Drucke ist so, im Gegensatz zum Linolschnitt, begrenzt.
Abschließend musst du die entstandenen Drucke noch nummerieren und signieren.
Der Abzug ist das einzelne, durch den Druckprozess entstehende Blatt. Die Gesamtzahl der Abzüge nennt man Auflage. Die Höhe der Auflage bestimmt der Künstler, also in diesem Fall, du.
Die handgeschriebene Unterschrift unter deinem Werk zeigt, dass es sich um ein Original handelt. Für diese, häufig in die untere rechte Ecke gesetzte Signatur wird meist ein Bleistift genutzt.
Erinnert ihr euch an Jacobas Interesse für das Licht? In allen Arbeiten verfolgte sie die Idee, die Farbe zum Leuchten zu bringen und ihr Transparenz zu verleihen. Sie bezog die Wirkung von Licht und Farbe auf uns Betrachter*innen mit ein. Dazu stellte sie sogar Untersuchungen an.
Und dann begann Jacoba ab 1919 Glasarbeiten zu gestalten! Farbige Glasfenster habt ihr sicher schon einmal in einer Kirche gesehen. Vielleicht habt ihr erlebt, wie wunderbar die Farben leuchten, wenn die Sonne hindurch scheint. Manche Künstler*innen haben ihre Fenster genau so konzipiert, dass der Lichteinfall sie während der Zeit des Gottesdienstes erstrahlen lässt.
Bei Jacoba ein wirklich logischer Schritt, mit Glas zu arbeiten, was meint ihr? Mit diesem Material konnte sie ihr Ziel, leuchtende Farben zu schaffen, endlich umsetzen. Ihren Motiven bleibt sie treu. Fast abstrakt gehen die Motive jetzt in dem transparenten Formen- und Farbenspiel auf. Die Bleiruten, das sind die Verbindungen, die die einzelnen Glasteile zusammenhalten bilden gleichzeitig die Umriss- und Kompositionslinien und erinnern so an die schwarzen Linien in ihren Gemälden. Ab 1920 bekam Jacoba schon Aufträge für Glasfenster und stattete private und öffentliche Gebäude in den Niederlanden mit ihrer Glaskunst aus (u.a. Villa der Familie Wulffraat in Wassenaar, das niederländische Gesundheitsamt und die Marinekaserne in Amsterdam).
Jacoba van Heemskerck
Komposition nach Glasfensterentwurf Nr. 17, um 1920
Bleiglasfenster mit Glasmalerei
106 x 76,5 cm
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag.
Ihr fragt euch sicher, wie so ein Glasfenster entsteht. Schaut euch einen der folgenden Filme an:
Glasfenster Technik (3.46 min)
Entstehung schnell (4.10 min)
Entstehung ausführlich (44 min)
Später haben sich viele Künstler*innen parallel zu ihrer Malerei auch mit Glasmalerei beschäftigt. Macht einmal eine Bildersuche im Internet und gebt “Glasmalerei” und “Marc Chagall” oder “Gerhard Richter” ein.
Die meisten Künstler*innen entwerfen ein Glasfenster, überlassen dann die Herstellung den Handwerker*innen. Jacoba jedoch hatte sich einen Brennofen angeschafft, um erst einmal selber zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln. Das hat ihr viel Freude gemacht. Die großen Fenster konnte sie natürlich nicht in ihrem kleinen Ofen brennen. Diese Arbeiten übergab sie dann auch an spezielle Werkstätten für Glasmalerei.
Die kleinen Glasarbeiten waren dazu gedacht, sie ins Fenster zu hängen. Schaut einmal:
Jacoba van Heemskerck
Komposition (Schmetterling), um 1920
Bleiglasfenster mit Glasmalerei
Durchmesser 29,2 cm
Kunstmuseum Den Haag
Foto © Kunstmuseum Den Haag.
Fensterbild
Mit Glas zu arbeiten ist sicher kaum möglich, aber es gibt eine einfachere Möglichkeit, Bilder zu schaffen, in denen die Farben durch Licht/Sonne zum Leuchten gebracht werden können.
Du brauchst
schwarzen Tonkarton oder schwarzes Tonpapier
farbiges Transparentpapier
Bleistift
Zeichenpapier (Entwurf)
Cuttermesser
Schere
Klebestift
Zeichne zuerst einen Entwurf für dein Fensterbild. Überlege, welche Flächen des schwarzen Papieres herausgeschnitten werden müssen. Kennzeichne diese.
Die Umrisse des Motives übertrage dann mit dem Bleistift auf das Tonpapier/den Tonkarton. Dieses schwarze Papier entspricht den dunklen Bleiruten in den Glasfenstern. Überall dort, wo das schwarze Papier herausgeschnitten wird, wird Transparentpapier eingesetzt.
Das Herausschneiden gelingt dir mit dem Cuttermesser, aber auch mit einer Schere.
Diese freien Flächen hinterklebst du dann mit den farbigen Transparentpapieren.
Halte dein Werk zum Schluss zur Kontrolle vor ein Fenster.
Du kannst nun feststellen, ob dir die transparenten Flächen reichen oder ob du weitere Flächen herausschneiden möchtest, um dein Bild noch mehr zum Leuchten zu bringen.
Nun habt ihr hoffentlich einen Eindruck bekommen von Jacoba van Heemskercks vielfältigem Œuvre, so nennt man das Gesamtwerk von Künstler*innen. In unserer Ausstellung könnt ihr bis zum 5. September 2021 sechzig Werke aus all ihren Schaffensphasen sehen: Gemälde, Zeichnungen, Holzschnitte, Glasarbeiten und ein Mosaik.
Herzlich willkommen! Wir freuen uns auf euch!
Karola, Vera, Merle, Finja, Oliver, Christiane und Matthias