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Folge 2: Paula Modersohn-Becker

Hast du erraten, wer die weibliche Namensgeberin des Teen-Clubs ist? Es ist die heute berühmte Malerin Paula Modersohn-Becker! Sie ist weltweit die erste Malerin, der 1927 ein eigenes Museum gewidmet wurde. Dort wird bis heute ein Großteil ihrer Werke dauerhaft gezeigt. Du kannst dich in diesem Museum in Bremen einmal umsehen: https://www.museen-boettcherstrasse.de/museen/paula-modersohn-becker-museum/. Auch das Wohnhaus der Künstlerin ist heute Museum: https://www.museum-modersohn.de/

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Paula Modersohn-Becker in der Worpsweder Landschaft. Foto: Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen

Aber nicht nur in Bremen und Worpswede, wo die Künstlerin lange gelebt hat, sind ihre Werke beachtet und respektiert. Auf der ganzen Welt sind ihre Arbeiten heute in namhaften Museen zuhause. Auch die Kunsthalle Bielefeld besitzt ein Gemälde von Paula Modersohn-Becker, das wir euch hier natürlich vorstellen werden. Es kam 2017 als Schenkung in die Sammlung.

Ja, heute ist Paula Modersohn-Becker bekannt, ihre Arbeiten werden geliebt und vor allem ist ihre künstlerische Leistung anerkannt. Aber das war nicht immer so. Leider hat sie selber diese Anerkennung nicht erlebt. Trotzdem hat sie sich nicht beirren lassen, ist ihren Weg gegangen und hat an ihren Ideen festgehalten. Sie sagte später einmal, dass man nichts halbherzig machen und zu seinen Entschlüssen stehen sollte. Und sie wollte lernen, konnte es kaum abwarten, bis sie endlich etwas konnte.

Wir wollen dir hier ein wenig von ihr berichten und aufzeigen, warum ihre Kunst neu, besonders und wegweisend für nachfolgende Künstler*innen ist.

Paula Modersohn-Becker lebt von 1876 – 1907. Sie stirbt leider schon mit 31 Jahren, einige Tage nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde. In Dresden und Bremen wächst sie auf und hat das Glück, sehr moderne Eltern zu haben. Ende des 19. Jahrhunderts ist es nämlich üblich, dass Mädchen aus dem sogenannten gehobenen Bürgertum, heute würde man wohl sagen aus dem Bildungsbürgertum oder dem gehobenen Mittelstand, eine sehr gute Schulausbildung erhalten. Im Anschluss dürfen sie sich ein wenig Europa anschauen und kulturell weiterbilden. Viele dieser jungen Frauen besuchen die berühmten Museen in Paris oder Florenz, Konzerte und Theateraufführungen. Aber irgendwann sollen sie alle heiraten und Kinder bekommen. Dann sorgt der Ehemann für sie, von dem sie meist auch finanziell abhängig sind. Das ist der vorgesehene Weg. Wenn eine Frau das nicht möchte oder kann und selber für ihren Lebensunterhalt sorgen muss, bleiben ihr nur wenige Möglichkeiten: Gouvernante oder Lehrerin, Krankenschwester, Sekretärin oder Verkäuferin vielleicht. Aber Malerin und freischaffende Künstlerin zu werden ist überhaupt nicht vorgesehen. Es heißt sogar, Frauen könnten keine Malerin werden!

Du kannst einen Steckbrief für Paula Modersohn-Becker schreiben. Vielleicht möchtest du auch andere Künstlerinnen kennenlernen, die sich über die Konventionen hinweggesetzt haben? Recherchiere z. B. zu Clara Rilke-Westhoff (1878 – 1954), Käthe Kollwitz (1867 – 1945), Gabriele Münter (1877 – 1962) oder Helene Funke (1869 – 1957). Dabei begegnest du weiteren interessanten Persönlichkeiten, unterschiedlichen Lebenswegen und Werken. Diese Aufgabe könntest du gemeinsam mit deinen Freunden erledigen und ihr könntet euch gegenseitig die Ergebnisse vorstellen. Schlüpft dazu gerne in die Rolle der jeweiligen Künstlerin. So könnt ihr euch gut in sie und ihren Wunsch nach künstlerischer Ausbildung und Unabhängigkeit hineinversetzen.    

Auch wenn Paulas Eltern ihre Tochter am liebsten verheiratet gesehen hätten, wollten sie doch, dass sie niemals abhängig von einem Ehemann würde. Also besucht sie ein Lehrerinnenseminar, hätte also jederzeit ihr eigenes Geld verdienen können. Erst nach dem Abschluss dieser Ausbildung darf sie auch künstlerischen Unterricht nehmen. Denn das will sie! Malerin möchte sie werden! In Berlin nimmt sie privaten Zeichenunterricht und ab 1898 erhält sie Malunterricht in Worpswede, wo sie auch ihren späteren Ehemann Otto Modersohn (1865 – 1943) kennenlernt. Worpswede ist ein kleines Dorf in der Nähe von Bremen, in dem sich Künstler angesiedelt hatten, um in der Natur zu malen. An einer Kunstakademie dürfen Frauen erst nach 1919 studieren, so dass sie auf privaten Unterricht angewiesen sind. In Worpswede wird Paula von Fritz Mackensen (1866 – 1953) unterrichtet, der sie lehren möchte, die Natur so genau wie möglich abzubilden. Das ist die traditionelle Malerei und daran wird man gemessen.

Aber Paula hat eine andere Auffassung. Sie möchte die Natur, Landschaften und Menschen, in einfache Formen übersetzen, das Wesentliche, das Charakteristische herausstellen. Sie möchte das Empfinden der Menschen zeigen. Sie selbst ist sehr sensibel und fühlt sich in die jeweiligen Situationen und Motive ein. Doch dafür hat niemand Verständnis und sie wird für ihre Bilder ausgelacht. “Kindermalerei”, “Schmiererei”, “Hände wie Löffel!” und vieles mehr wird ihr vorgeworfen.

In der Neujahrsnacht 1900 macht sie sich zum ersten Mal auf den Weg nach Paris, der Kunstmetropole in dieser Zeit. Das zeigt ihren Willen, ihren künstlerischen Weg gehen zu wollen und auch wie selbstbewusst sie ist. Eigentlich dürfen Frauen nämlich gar nicht alleine reisen  – und dann ins Ausland! Aber hier in Paris dürfen auch Frauen Malerei studieren. Paula liebt den Unterricht und das quirlige Leben der Großstadt. Das ist sehr mutig für eine junge Frau in dieser Zeit. Wir wissen sehr viel über ihr Leben dort, denn Paula schreibt Tagebuch und viele Briefe an ihren Mann, ihre Familie und ihre Freunde. Sie beschreibt ihre Gedanken zur Kunst genauso lebendig wie ihr Atelier, in dem sie auch wohnt, das französische Essen und den Trubel der Stadt. Sie fühlt sich frei und genießt die Ausbildung an den Akademien Colarossi und Julien. Dort dürfen Frauen auch Akt zeichnen und malen. In Deutschland dürfen das nur Männer! Als sie später kein Geld mehr hat, um Modelle zu bezahlen, malt sie sich selber – vor einem großen oder kleinen Spiegel. So malt Paula 1906 sich selbst lebensgroß als Akt!  Das hat vor ihr noch keine Künstlerin gewagt und wir sehen daran, wie eigenständig sie sich in ihrer Kunst entwickelt hat! Bist du neugierig geworden und möchtest mehr über Paula Modersohn-Becker erfahren? Hier ist ein sehr lesenswertes Buch, mit dem du in das Leben der Künstlerin eintauchen kannst:

PMB-Briefe-Tagebuecher-Buch

Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hrsg. Von Günter Busch und Liselotte von Reinken, Frankfurt a.M. 2007

Vier Mal reist Paula für jeweils mehrere Monate nach Paris. Jede Reise regt sie zu neuen Ideen in ihrer Kunst an und bringt ihr neue Impulse. Aber vor allem bestärken diese sie, ihre Auffassung weiter zu verfolgen und ihren eigenen Weg als Künstlerin zu gehen. Als sie 1903 im Louvre ägyptische Mumienporträts entdeckt, ist sie begeistert von der großen Einfachheit der Form! Stirn, Augen, Nase, Mund, Kinn und Wangen, ganz einfach und gerade deshalb sehr ausdrucksstark.  Alles, was den Menschen charakterisiert, kann so gezeigt werden. Ein Besuch bei dem Bildhauer Auguste Rodin (1840 – 1917), der ihr seine kühnen Aquarelle und Zeichnungen zeigt, ist ein nächster Impuls. Denn Rodin konzentriert sich nur auf wesentliche Formen und ihm ist die Meinung des Publikums völlig egal! Als sie Bilder von Paul Cézanne (1839 – 1906) entdeckt, fühlt sie sich vollends bestärkt. Auch er übersetzt die Natur in Formen und baut seine Bilder dann aus Farben und Formen auf. Da wird ein Berg zu einer Dreiecksform, eine Baumkrone zu einem Oval oder ein Haus zu einem Rechteck mit dreieckigem Dach. Die Farben wählt er, wie sie in der Natur erscheinen. Und so kann Schnee auch rosa sein und die Berge in der Ferne erscheinen blau. Paula ist begeistert, denn das entspricht genau ihren Ideen! Wie Cézanne lehnt auch sie sich immer an die Natur an, vereinfacht sie, wird jedoch nie abstrakt.

Auf das Thema Selbstporträt kannst du dich mit diesem Beitrag einstimmen und tauchst gleichzeitig in die Kunstwelt von Paris und das Leben von Paula Modersohn-Becker ein:

https://www.youtube.com/watch?v=9gpBMDqRF7E

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Paula Modersohn-Becker, Selbstbildnis, Brustbild mit Pinsel in der erhobenen Hand, 1902, Öl auf Pappe, 37 x 25 cm

Schau, in diesem Selbstporträt von 1902 ist schon alles enthalten, was die Künstlerin nach und nach weiterentwickelt. Ganz besonders aber ist, dass sich Paula mit einem Pinsel in der Hand darstellt: “Schaut her! Ich bin Malerin!”

Du weißt jetzt schon viel über Paula, aber wie wäre dein Eindruck von ihr, wenn du ihr jetzt begegnen würdest? Kannst du sie einschätzen, persönliche Wesenszüge,  die wir beschrieben haben, in ihrem Gesicht entdecken? 

Versuche doch einmal, unser Porträt so genau wie möglich für jemanden zu beschreiben, der es nicht sehen kann. Hier findest du Tipps, wie man eine Bildbeschreibung lebendig und gut strukturiert verfasst. Und du wirst sehen, wenn man das ein paar Mal gemacht hat, hilft es sehr gut, um auch andere Dinge genau und detailliert zu betrachten. Schau dir andere Selbstporträts der Künstlerin an. Dann merkst du schnell, wie wichtig es ist, genau zu differenzieren.

 

Über die Bildersuche einer Suchmaschine wie Google oder Bing kannst du dir weitere Werke von Paula und auch Fotografien anschauen.

Nun hast du einige Selbstporträts Paulas gesehen. Nun gestalte ein Selbstporträt von dir. Dazu benötigst du mehrere Zeichenpapiere, Din A3, Wachsmalstifte und einen Spiegel. Baue dein Gesicht aus wenigen Flächen, fast geometrisch auf. Du kannst mit schwarzen Konturlinien arbeiten. Bei der farbigen Ausgestaltung wähle kontrastreiche, reine Farben. Verzichte auf die Darstellung von Einzelheiten, arbeite großflächig, konzentriere dich auf das Wesentliche. Überlege, was dir besonders wichtig ist an deinem Erscheinungsbild, und das versuche zu betonen. Legst du großen Wert auf deine Frisur oder auf deine Augen? Möchtest du deinen Mund betonen? Gestalte dein Selbstporträt mehrere Male. Bei jedem neuen Versuch lass erneut Unwichtiges weg. Zum Schluss schau dir deine Porträtreihe an. Ist es dir gelungen, Wesentliches herauszufiltern? Wähle dann das Blatt aus, das deinen Vorstellungen am nächsten kommt. Wenn du magst, arbeite hieran weiter.

Erst nach Paula Modersohn-Beckers Tod entdecken ihr Mann und ihre Freunde den Umfang ihres Werkes. Die Künstlerin hinterlässt mehr als 700 Gemälde und über 1000 Grafiken. Ihre bahnbrechende und selbstbewusste Kühnheit im Umgang mit der Farbe und die Vereinfachung der Form finden Lob und Anerkennung und sind ein Schritt in die Moderne. Vor allem aber erkennen viele Menschen genau das Empfinden der Künstlerin in ihren Arbeiten wieder. Deshalb werden sie so geliebt!

2016 kam sogar ein Film über Paula und ihre Kunst in die Kinos: „Paula. Mein Leben soll ein Fest sein“ Regie: Christian Schwochow; Drehbuch: Stefan Kolditz und Stephan Suschke, 2016(FSK 12)

Hier kannst du den Trailer anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=7j7wL6RVS0g&feature=emb_logo

In der nächsten Folge lösen wir das Rätsel um Henry! Bis dahin!

© Buchcover Fischer-Verlag, Frankfurt a.M.

Selbstbildnis, 1902, Kunsthalle Bielefeld. Abbildung © Paula Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen